TEXTLANDSCHAFT      Worte

 

 

"Ich hatte nie auf eine Bühne gewollt. Ich stellte den Tisch nach unten, um in der Höhe der Zuhörer zu sein. Dort war es zu dunkel. ′Wenn es sein muss, muss ich ins Scheinwerferlicht.′

Die Dramaturgische Gesellschaft organisierte eine szenische Lesung im Berliner Ensemble. Ein Schauspieler hatte mich beeindruckt. Eck bedachte nicht, dass er sich, als er Heiner Müller Texte vorstellte, gewissenhaft vorbereitet hatte. Als wir die Wohnung zugeschlossen hatten, um nach Berlin zu fahren, klingelte das Telefon, Seite Elf des Dramas sei verschwunden, ob ich sie mitbringen könne. Der Schauspieler las einige Textseiten mit Männerstimme, andere mit Frauenstimme. Das hätte interessant sein können. Er hatte den Text vor der Lesung ein einziges Mal gelesen und sagte nach der Lesung nun hätte er den Text verstanden. Der Chef des Bremer Theaters. Pierwoß, versuchte, den Chefdramaturgen des Berliner Ensembles zu überzeugen, den Text inszenieren zu lassen, - ′Sie könnten es in Bremen tun!′ Die Regisseure saßen in der Kantine. Ich saß im Rampenlicht, ich hätte den Raum gern verlassen. Nach der Veranstaltung kam eine Frau auf mich zu und sagte, sie wolle mich daran erinnern, dass ihr Verlag die Rechte am Text habe, - ′Ich dachte, Sie hatten die Veranstaltung organisiert.′ Ich hatte sie zuvor nie gesehen.

Ein Mann fragte, ob Eck Autorin seines Verlages werden wolle, der Verlag Felix Bloch Erben sei solide, er vertrete unter anderem Texte von Brecht. Eck fragte, ob er ihre Texte kenne. Er hätte sie sonst nicht angesprochen. Eck erzählte ihm, dass ihr ein Vertrag vom Bauerverlag zugeschickt worden war, ′als ich nicht reagiert hatte, hatte der Chef angerufen, Eck unterstellte, dass er ihre Arbeiten gar nicht kenne, er sagte, er verlasse sich auf seine Berater. Eck sagte, dass sie unter diesen Bedingungen nicht unterschreiben könne. Er versprach, Texte zu lesen, zählte auf, was er in den nächsten Tagen für sie tun wolle, er brauche ihre Unterschrift. ′Ich brauche Bedenkzeit′, sagte ich, ′Ich brauche Rechtssicherheit′, sagte er. Er wollte einen Vertrag über sieben Jahre, ich für ein Jahr, wir einigten uns auf zwei.′ Eck unterschrieb. Und wartete. Nach Monaten kündigte ich den schriftlichen Vertrag mit der Begründung, er habe den mündlichen nicht eingehalten. Er lehnte ab. Ich hätte Prozesse führen müssen. Eck erzählte, dass ein Dramaturg des Berliner Ensembles, der über ihre Texte gesagt hatte, dass kein Theater der Welt sie inszenieren könne, als er Chef des Drei-Masken-Verlages geworden war, ihr Verträge anbot, ′Ich verstehe das alles nicht.′

Sie hatte Platonows ′Baugrube′ dramatisiert, den Text an ′Theater der Zeit′ geschickt. Sie könnten den Text zur Zeit nicht drucken, sie solle ihn Theatern zeigen. Eck schickte ihn Volker Braun, er schrieb, ich müsse ihn Theatern zeigen. Das Schauspielhaus Leipzig schickte eine Einladung. Bot Freikarten, Fahrgeld, die Übernahme von Hotelkosten an. Der Chefdramaturg setzte Eck mit Heiner Müller gleich. Er stellte mir einen Mann vor, der Dramatiklesungen organisiere, er habe einen AutorenVerlag gegründet, Eck als Gesellschafterin auf die Liste, die er ans Ministerium geschickt habe, gesetzt. Er kannte meine Arbeiten nicht. Harald Müller sagte, er verlasse sich auf seine Berater. Er sprach von Chancen, Solidarität. Ich beschloss, keinen Vertrag zu unterschreiben. Er hatte Autoren unterschiedlicher Handschrift zusammengeführt. Er lief und saß übergerade, er sprach überartikuliert, es faszinierte mich. Er setzte sich vor Eck hin und sagte, sie solle Emanzenstücke schreiben, sie sagte, dass sie das nicht interessiere, er sagte, dass er sie noch dahin kriegen würde, Emanzenstücke zu schreiben. Das war komisch. Ich schrieb kichernd eine Medeaadaption, Groteske, in der eine Frau sich gegen die Rolle, die ein Dramatiker diktiert, sträubt, sie aus Geldgründen spielt und als Kindsmörderin verbrannt wird, der Stückeschreiber dreht sich um, hat ein schweinsähnliches Gesicht, sagt: ′Weiber sind Säue.′ Er bat mich, mit dem Autorenkollegium solidarisch zu sein, ich musste, um solidarisch zu sein, Gesellschafterin werden, Geld bezahlen. Ich verlangte, dass die Verlagsangestellten ein Heft einrichten, in dem sie notieren, was sie für welchen Autor/welches Stück taten, damit es Sinn hatte, Inhaber eines Autorenverlages zu sein. Irgendwann war der Verlag pleite. Harald Müller, übernahm die Zeitschrift ′Theater der Zeit′ und bat um Solidarität, wenn die Zeitung ein Jahr überleben würde, gäbe es eine Chance. Ich abonnierte sie für ein Jahr. Ich fragte, ob er mir für das Geld, das ich für seine Projekte gegeben hatte, Resthefte kostenlos abgeben würde. Keine Antwort. Wenn jemand Solidarität von mir wollte, frage ich seitdem: Was können wir für einander tun?

Eck erzählte vom RowohltVerlag. Eine Dramaturgin hatte einen Text, der über die Zeit des Mauerfalls mit Hilfe von Episoden im Klo einer Kaserne erzählte, für den Hamburger Dramatikpreis nominiert war, wahrgenommen, Dominique Horwitz habe ihn ′hervorragend′ gelesen. Eck war ′aus Kostengründen′ nicht eingeladen worden. Wenn ich den Schauspieler später in Filmen sah, stellte ich mir vor, wie er den Text gelesen haben könnte. Die Dramaturgin sagte, niemand schreibe zur Zeit so wie Eck, ′Realismus mit düsterem Unterton.′ Ich wäre im Verlagsprogramm der dreihundertsechsundfünfzigste Dramatiker gewesen. Ich hatte Angst, dass Dramaturgen wechseln. Ich bot an, dass Rowohlt fünfzig statt fünfundzwanzig Prozent an Provision erhalten könne, aber ich wollte die Rechte am Text behalten. Ich vertraute nur mir. Die Mauer war gefallen, es klingelte täglich. Die Dramaturgin bot an, Texte zu Rowohlt Prosa zu vermitteln, falls ich bereit würde, zu unterschreiben, es gäbe zwei Interessenten, sie brauche meine Unterschrift. Ich sagte, dass ich unterschreiben werde, sobald ein Vermittlungsgespräch zustande gekommen ist. Ende. Ich nannte den Text, der für den Hamburger Dramatikpreis nominiert gewesen war, eine Schreibübung. Ich dachte später, dass ich hätte unterschreiben müssen, um mich RowohltAutorin nennen zu können. Texte, die ich selbst an Theater schickte, schienen in Stapeln zu verschwinden.

Der Dramaturg von Felix-Bloch-Erben, Daniel Fiedler, sagte, dass er mich zu keiner Unterschrift nötigen werde, er wolle für mich arbeiten, ich könne unterschreiben, sobald ich Vertrauen zu ihm hätte. Eck sah ihn nie wieder. Wir faxten einander. Er regte an, Werther und Marquise von O. zu dramatisieren. Ich entschied mich, den ′Marquise von 0′-Text nicht zu zerstören, weil die Gesellschaft Autoren wie Kleist gezwungen hatte und zwang, Trivialliteratur zu schreiben, Kleist hatte sich getötet. Sein Text war eine Provokation, ′Der Vergewaltiger ist schön, reich, klug und will die Frau heiraten.′ Ich dialogisierte den Text, änderte nur wenige Worte, die so unerträglich schwülstig wirkten, dass Menschen, die den Originaltext nicht in Erinnerung haben, mir Bösartigkeit gegenüber Kleist unterstellen hätten können. Ich schlug vor, dass Requisiten aus Gummibäuchen bestehen, die einen Schlatz wie einen Mund haben, ab und zu, Unsinn oder Surreales dazwischenplappern, sich nach dem Happy-End verselbständigen. ′Triviales und Surreales als Weltfluchtversuch. ′

Der Dramaturg reagierte fasziniert auf den Werther-Text, er lehnte den Marquise von O.Text ab. Ich wollte eine Begründung. Keine Reaktion. Jürgen Paasch schickte eine Textinterpretation zum O-Text, wenn er einen Verlag gründen sollte, wolle er ihn mit diesem Text eröffnen. Ich schickte sie dem Dramaturgen - diese Ausführlichkeit hätte ich von ihm erwartet. Er hatte mir einen Auftrag gegeben, ich hatte Lebenszeit dafür hingegeben und erwartete eine Gegenleistung. ′Kein Auftrag!′ Ich hatte andererseits nie auf Begründungen bestanden, wenn er einen Text ′großartig′ genannt hatte. Daniel Fiedler interpretierte den Begriff ′Auftragsarbeit′ juristisch, ich moralisch. Wir versöhnten uns. Ich fragte, ob ich die Texte, die er abgelehnt hatte, Suhrkamp geben dürfe. Er sagte, dass es günstiger sei, wenn ein Dramatiker nur von einem Verlag vertreten wird. Falls Suhrkamp die Dramen abdrucken wolle, solle ich anmerken lassen, dass die Rechte bei Felix Bloch Erben liegen. Ich begriff, dass ich auch ohne Vertrag unfrei war und beschloss, bei Gelegenheit einen Vertrag zu unterschreiben. Ich sah eine Annonce des Verlages, Namen von Dramatikern, Eck fehlte. Ich fragte und erfuhr, dass meine Texte ein Hobby des Dramaturgen gewesen waren, ich sei keine Autorin des Verlages. Seine Briefe waren auf Verlagspapier und in der WirForm geschrieben gewesen.

Ich schickte ein Manuskriptbuch an Suhrkamp, erhielt es zurück, ′... mit großem Interesse... leider...′ Ich schrieb, dass ich die Entscheidung akzeptiere, ich wolle aber die Unterschrift eines Dramaturgen. Der Dramaturg schrieb, er könne sich nicht an die Texte erinnern, ich solle sie noch einmal schicken. Nach zweieinhalb Jahren verlangte ich die Texte zurück. Jürgen Drescher las sie nun und behauptete, es stände außer Zweifel, dass ich schreiben könne, es wäre vermessen, es zu bestätig... wir könnten uns zur Buchmesse treffen. Ich war zur Leipziger Buchmesse nicht da. Als ich nach Basel über Frankfurt fuhr, war er nicht da. Ich bot an, das Gespräch schriftlich zu führen. Er schrieb, er wolle kein Dramenbuch drucken lassen, sondern, dass ich einen neuen Text schreibe. Ich sah eine Annonce von Suhrkamp: Nur Männernamen. Eine Amerikanerin besuchte mich und behauptete, meine Texte würden nicht gespielt, weil ich eine Frau sei. Ich kannte Männer, deren Texte ich schätzte, die nicht inszeniert wurden. Igor Kroitzsch hatte den Grabbe-Preis erhalten.

Ein Geschäftsführer der Schaubühne, Jochen Sandig, hatte gesagt, dass er sich freuen würde, wenn es zu einer Zusammenarbeit Eck/Schaubühne käme. Eine Dramaturgin lobte die Sprache, behauptete, die Texte müssten überarbeitet werden, sie hätten dafür keine Zeit. Sie schrieb in der Wir-Form. Ich fragte: ′Wer ist: wir′? Keine Antwort. Jochen Sandig sprach auf den Anrufbeantworter mehrere Telefonnummern. Ich erreichte ihn nicht, ich wollte einen Termin für ein Arbeitsgespräch oder Arbeiten zurück. Irgendwann erhielt ich einen Teil der Arbeiten zurück. Er ließ mir schreiben, dass der Spielplan auf Jahre hin durchgeplant sei. Die Annonce, dass das Theater Texte suche, stand trotzdem in jedem Monatsprogramm. ′Sie lügen - für einen Werbeffekt.′ Sie schrieben einen Dramatikpreis aus. Wer ihn gewinne - erhalte eine szenische Lesung. Es war unklar, ob der Autor ein Honorar erhält.

Ich kam über Frankfurt. Der Dramaturg von Suhrkamp sagte, ich sei zu alt, um eine Chance an der Schaubühne kriegen zu können, man suche dort nach ′Shootingstars.′ Jürgen Drescher bot an, Kontakt zu einer Intendantin im Schauspielhauses Frankfurt zu vermitteln, sie habe Kunstwissenschaften studiert. Seine Augen glänzten, als er sagte, dass er Arbeitskontakte vermitteln konnte. Ein Mann trat ins Zimmer, sagte, er wolle die Person sehen, die unvergessliche Faxe schreibe. Ich hielt es für möglich, dass Suhrkamp mehr Wert auf die Verpflichtung von eigenwilligen Persönlichkeiten als raschen Erfolg legt, - es könnte sich nach dem Tod der Autoren rechnen. Ich wollte im Feuilleton anregen, sich Dramenbände zu kaufen, sie sich mit eigenwilligen Fantasien als Kopftheater zu inszenieren. Ich erhielt von Suhrkamp nur Texte von Männern zugeschickt. Ich bat Jürgen Drescher um Texte von Frauen, - nichts. Ich hörte als Kind, dass Texte, die Frauen geschrieben hatten, Brecht zugeordnet worden waren, ′Wenn er nicht seinen Namen hingegeben hätte, wären die Texte nicht gespielt worden′, sagte mein Vater. Als Eck in einer Kneipe einem Regisseur vorgestellt wurde, sagte er, dass Frauen keine Dramatik schreiben können und wandte sich ab. Eine Dramaturgin schrieb ′Sehr geehrter Herr.′ Als ich sie traf, sagte sie, die Texte wären mit Computer geschrieben und hätten nicht von Frauenproblemen erzählt. In der Ausschreibung für den Johnson-Preis stand in der Vordrucküberschrift nur ′Sehr geehrter Herr′. Auch für den Onassis-Preis. K schlug vor, den Vornamen wegzulassen oder unkenntlich zu schreiben. Eck war dagegen. Juroren wählten für den Onassispreis den anonymisierten Dramentext einer Frau.

Der Chef von Suhrkamp starb. Ich bat den Dramaturgen, mir Bescheid zu geben, sobald es im Verlag Tendenzänderungen/Mut gibt.

Marion van die Kamp borgte bei der Nachbarin Erdbeeren, weil sie in ihrem Garten noch nicht reif waren, damit ich Erdbeertorte essen konnte. Am Abend spielte sie auf der Volksbühne eine böse Frau so überzeugend, dass ich verstört war, sie freute sich. Sie schenkte mir eine Lederjacke, ′Man muss etwas für seine Kinder tun.′ Sie erinnerte mich an meine Mutter, weil ich gedacht hatte, ′Was ist denn das für eine Zicke′, kurz später hatte ich Respekt. Andere erlebten meine Mutter so. Ihre Schauspielleistung fiel im Ensemble auf. Sie habe Schauspielerin werden wollen, Rollen gelernt, sich vors Theater gesetzt und gehofft, dass ein Schauspieler krank wird, sie ihn vertreten kann. Sie trug dieselbe Kette, die meine Mutter trug. Sie arbeitete auf Perfektion hin. Sie war preußisch erzogen, in Rollen konnte sie anders leben. Ich wurde bereit, sie im Alter zu pflegen. Ich war irritiert, dass sie in Interviews die Existenzprobleme der Dramatiker mit keinem Wort ansprach.

Eine Schauspielerin sprach mich nach einer Lesung an, sie habe mit fast allen bedeutenden Regisseuren gespielt, Fehler gemacht, sie müsse sich erneut hocharbeiten. Sie habe ein Privattheater gründen wollen, den Zuschlag habe ein Mann erhalten. Sie wolle in ihrer Wohnung einen Salon für Neue Dramatik gründen, Ecks Texte vorstellen, bedeutende Regisseure einladen, sie werde sie berühmt machen. Ich war skeptisch, sie bot mir Quartier an. Als ich nach Berlin fuhr, quartierte ich mich für drei Tage ein, kaufte Esswaren, war kurz später ausquartiert, sie habe eine Rolle an dem Theater erhalten, dessen Chefin sie hatte werden wollen, sie könne keine Texte lernen, wenn sie nicht allein sei.

Ich fuhr Umwege, um die Inszenierung anzusehen. Die Spielart faszinierte mich nicht. Ich stand eine halbe Stunde im Gang, bis ich in ihre Garderobe gelassen wurde, die Frau saß halbnackt, roch nach schwerem Parfüm und sagte, der Regisseur sei in sie verliebt, sie schien sich ihm hingeben zu wollen, der Regisseur war fett und laut. Sie nahm mich zur Premierenfeier nicht mit. Als ich irritiert reagierte, behandelte sie mich, als hätte ich mich ihr aufgedrängt. Ich hätte sie gern geohrfeigt. Sie sagte, sie sei in einem Kloster aufgewachsen. Als ich sie Jahre später wieder sah, spielte sie vor drei Zuschauern. Zwei waren wir. Sie spielte, als sei der Raum voll. Das hatte etwas faszinierend Theatralisches.

Theaterfestival. Leipzig. Eck hatte sich eine Karte reservieren lassen und fuhr hin. Der Chefdramaturg sagte: ′Sie fahren hin, wo sie nicht eingeladen sind.′ Ich zuckte zusammen und grübelte, ob er für die Staatssicherheit gearbeitet hatte, als er mir so schmeichelte, dass ich ihn hatte ungläubig ansehen müssen. Zur Premierenfeier war die Tafel mit DDR-Fahnen bedeckt, es fehlte Besteck, die Gäste mussten mit den Fingern essen. Ich hatte ein Drama fürs Schauspielhaus schreiben sollen. Die DDR zerbröckelte, mich hatte interssiert, ob ich Machtpositionen will, ich whatte die Biografie von Katharina II bearbeiten wollen, er war dagegen gewesen. Ich hate ′Gespensterzeit.′ gegeben. Als ich einen Schauspieler traf, sprach ich ihn an. Peter Schulze-Sandow kam pünktlich und fragte, ob er den Text für eine freie Theatergruppe kaufen könne. Ich schickte den Text ans Schauspielhaus. Die freie Gruppe wollte sechstausend zahlen. Ich wurde am Morgen aus dem Schlaf geklingelt: Das Schauspielhaus verlangte die Rechte am Text, der schriftliche Vertrag werde mir sofort zugeschickt. Sie boten zehntausend. Wir vereinbarten, dass das Schauspielhaus die Uraufführungsrechte erhält, die Freie Gruppe die Premierenrechte. Die Freie Gruppe wollte einen traditionell orientierten Regisseur, der Dramaturg vom Schauspielhaus einen experimentellen. Ich hörte den Namen Dominik Graf. Die freie Gruppe löste sich auf, das Schauspielhaus überwies mehr Geld, als im Vertrag stand. Ich bat sofort um einen Rückruf, bereute es. Ich war allein erziehend, brauchte Geld und lebte nun wochenlang mit aus der Steckdose gezogenem Telefonkabel, weil ich die Überweisung von zusätzlich fünftausend für ein Versehen hielt. Ich hätte nicht lügen können. Als ich den Stecker reinsteckte, Anruf: ′Sie hatten um einen Rückruf gebeten?′ - ′Das Telefon ist oft gestört′, ich legte den Hörer auf. Ich nahm später an, die Zahlung sei eine Art Schweigegeld gewesen, damit ich auf einen Prozess zur Durchsetzung der vertraglich vereinbarten Inszenierung verzichte. Es war üblich geworden, Komödien zu spielen. Ich dachte Jahre später, ich hätte die Inzenierung erzwingen müssen. Der Text ′Gespensterzeit′ wurde mehrfach für Dramatikpreise nominiert.

Mir war nach Studienabschluss zugesichert worden, dass ich die erste Stelle, die am Jenaer Theater neu geschaffen wird, als Job erhalten werde. Der Zuschauerraum hatte wegen Baufälligkeit abgerissen werden müssen, es existierte der Bühnenraum. Ich wollte ein experimentelles Theater, keine Guckkastenbühne und suchte nach Architekten. Ich grübelte, welche Theaterart in Deutschland fehlt und schlug vor, dass das Jenaer Theater ein Autorentheater mit flexibler Bestuhlung wird. Dramatiker würden das Inszenierungsgeld erhalten und könnten Schauspieler, Regisseure auswählen. Damit das Theater trotz Vorurteilen gegen Gegenwartsdramatik in einer Kleinstadt funktionieren könnte, beschloss ich, Hundertwasser zu überzeugen, dass er das Theater baut. Er skizzierte Dachbegrünung, blaue Säulen mit goldenen Kuppeln. Der Kontrast zu politisch orientierter Gegenwartsdramatik schien interessant. Hundertwasser stimmte mir zu, dass eine Stadt aus Hundertwasserhäusern unerträglich wirken würde, ′Aber ein Hundertwasserhaus fasziniert.′ Eck brachte die Skizzen ins Kulturamt, fragte, ob sie sich um die Finanzierung kümmern solle. Hundertwasser wollte am Projekt nichts verdienen. Der Kulturdezernent sagte, er werde es tun. Ich versuchte, die Presse zu interessieren, Antwort: ′Wenn Sie eine berühmte Autorin wären, würde es im Spiegel veröffentlicht.′ Eck bedauerte das erste Mal, dass ich keine ′berühmte Autorin′ hatte werden wollen. Die Politiker der Stadt lehnten Hundertwassers Angebot ab. Das Jenaer Theater sollte in ein Kongresszentrum integriert werden. Der Kulturamtsleiter wollte Theaterchef werden. Er organisierte ein ABM-Theater.

Die Schauspieler betonten, sie wären Künstler, die selbst bestimmt arbeiten. Das Theater gründete einen Förderverein. Am Kneipentisch saßen Hausfrauen und redeten über Probleme des Theaters, ′Das Ensemble braucht einen Proberaum.′ Künstler brauchen Ateliers, sie müssen ihre Arbeiten selbst finanzieren, sie erhalten kein Geld für Öffentlichkeitsarbeit. ′Wenn Theater Steuergelder erhalten, sollten sie Kunstzentren werden, Künstler anderer Sparten unter fairen Bedingungen einbeziehen.′ Der Geschäftsführer des Theaterhauses: ′Wir wollen überregional bekannt werden, da können wir nicht mit Künstlern, die in der Region leben, zusammenarbeiten.′ Ich erhielt von einer literarischen Gesellschaft den Auftrag, ein Werkstattgespräch mit Dramatikern zu organisieren. Ich schlug den Autoren vor, zuvor eine Inszenierung im Jenaer Theater anzusehen. Ein Autor schlief ein, einer ging raus, einer flüsterte mir beständig ins Ohr, wie der Text inszeniert werden müsste, um dem Laienspielcharakter entkommen zu können. Eck beschloss, den Regisseur zu schonen, die Inszenierung im Werkstattgespräch nicht anzusprechen. Der Regisseur unterstellte, dass ich die Werkstatt inszeniert habe, weil meine Texte im Haus nicht gespielt würden. Ich hatte bis dahin gar keinen Text ans Theater gegeben, weil ich bis dahin keine Regiearbeit gesehen hatte, die mich fasziniert hatte. Die Dramaturgin sagte, - sie liebe Texte von toten Autoren. ′Für deren Texte muss ein Theater nichts zahlen.′

Sven Schlöttke, sprach Eck an. Wenn ich Inszenierungen kritisierte, hörte er hin. Ich bot an, an Generalproben teilzunehmen, damit die Kritik sinnvoll sein könnte. Keine Einladung. Er lehnte ein Drama, in dem Vampire tun, als ob sie Menschen wären, beißen zu können, Menschen tun, als ob sie Vampire wären, nicht gebissen zu werden, ab, der Text sei zu fertig, er könnte nur Wiener Caféhausmusik darunter legen; er ließ andererseits kurz später einen Vampirfilm auf der Bühne nachspielen, den er absetzte, aber - er hatte die Inszenierung von Steuergeldern bezahlt. Er legte Wert darauf, dass Eck ins Theater ging, aber er organisierte innerhalb von Jahren nicht eine szenische Lesung, vergab keinen Dramatisierungsauftrag.

Als die Zeit für das Theater als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme abgelaufen war, hatte der Oberbürgermeister das Ensemble loswerden wollen. Er sagte, es sei nicht immer brav gewesen. Ich sagte, dass mich die Rede an Vorwendezeiten erinnere, er verließ den Raum. Sven Schlöttke betonte laut, dass er dem Oberbürgermeister vertraue. Es hätte eine Arbeitstaktik zwischen Eck/Schlöttke sein können, aber wir hatten nichts abgesprochen, ich ekelte mich vor ihm. Ich stand allein, soff, weil ich nichts verstand, ab und zu sagte einer im Vorbeigehen, ohne im Schritt einzuhalten, dass ich ihm aus dem Herzen gesprochen hätte. Das Ensemble durfte bleiben.

Schlöttke kritisierte am Kneipentisch das Niveau des Jenaer Theaters, er behauptete hinter dem Schreibtisch seines Büros, es sei das beste Theater Mitteldeutschlands. Das Jenaer Theater wurde für mich ein ′Raum mit negativer Energie.′ Wenn ich hinein gehen wollte, musste ich Alkohol getrunken haben, um es zu tun. Als ich die Inzenierung ′Die Weber′ ansah, dachte ich wieder, dass ein Dramaturg, der Aktualisierungen versucht, einen Dramatiker nicht ersetzen kann. Ich hatte Regieangebote abgelehnt, weil ich nicht als Regisseur ausgebildet war; ich wollte nicht schauspielen, obwohl ich Menschen mit Stimme und Tanzen hatte faszinieren können, weil ich nicht ausgebildet war. Dramaturgen, Schauspieler, Regisseure schienen zu glauben, dass sie Texte und Textergänzungen nebenher schreiben können. Ich hatte Dramatiker werden wollen, um an einer Teamarbeit beteiligt zu sein, ich war neugierig, was Regisseure aus Textmaterial machen. Eck hatte Schaupieler kennengelernt, der eine wollte, dass der Regisseur nichts von ihm fordert, was er nicht tun will, der andere mittels Regieanweisungen Erlebnisgrenzen durchbrechen. Eine Frau, die Schauspielerin werden wollte, war theatralisch nur überzeugend gewesen, wenn ich verlangt hatte, dass sie mit krächzender Stimme spricht. Ich hätte sie quälen müssen. Ich konnte mir nicht vorstellen, Menschen zu regieren, die ich nicht kannte, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie mir vertrauen; ich stellte mir vor, dass ich als Frau mit lauter, harter Stimme und weitem Ledermantel ins Theater treten müsste, um Autorität einzufordern. Ich besuchte Proben von Regisseuren. Sie arbeiteten nicht anders als ein Autor. Es zerstörte Angst. Wenn Schauspieler gesagt hätten, dass sie Vertrauen zu mir haben, das Risiko eingehen wollen, enttäuscht werden zu können, hätte ich Regie als Abenteuer versucht. Falls der Auftrag finanziert gewesen wäre. ′Ich brauche Jobs.′

Ich besuchte einen Regielehrgang. Der Text, den Eck sprach, entstand auf der Bühne. Es wurde eine unheimliche Stille im Raum, ich brach ab, die Stille blieb. Zuschauer behaupteten, das hätte sie sich nicht mit einer Fahrkarte nach Beireuth erkaufen können. Wenn Eck Texte vorliest oder singt, sind Körper, Stimme Medium. Ich bezweifele, dass ich eine Rolle realistisch spielen könnte. Es fiel mir schwer, mir Texte detailgetreu zu merken Ein Video, das während einer Ausstellungseröffnung von Gino Hahnemann gedreht worden war, lag verstaubt, bis ich es nach Jahren ansah, es weckte Neugier. Ich beschloss, mich auf das geistig-emotionale Abenteuer einzulassen, als Darstellerin mit einem Filmregisseur zusammenzuarbeiten, der mich ansprechen würde, zu dem ich vertrauen hätte. Als ich einen Drehtermin für einen kurzen Dokumentationsfilm erhielt, war ich andererseits von den Wiederholungen rasch erschöpft.

Ein Fremder hatte mich kurz nach dem Mauerfall in einer Kneipe angesprochen, gesagt, ich solle mich beim Rundfunk als Moderatorin bewerben. K sagte, dass er mir zuhören könne, wenn er abgetrennt durch Türen in einer verlärmten Kneipe auf dem Klo sitze. Ich brauchte in Theatersälen kein Mikrofon. Ecks Moderationen waren voll von Äs. Wenn sie vor einem Mikrofon stand, zog sie den Bauch ein und hatte nicht ausreichend Luft. Eck hätte Sprechkurse besuchen müssen. Sie hätte es getan, wenn ihr eine Moderationsreihe als Job angeboten bekommen hätte. ′Man kann sich nicht für alle Jobmöglichkeiten ausbilden lassen′, um einen Job zu finden, der ermöglicht, dass ich im Kunstbereich selbstbestimmt arbeiten kann.

In der Wendezeit waren die Theater während Dramatiklesungen voll. Als Eck zu einem Lesemarathon in der Volksbühne eingeladen war, bat ich, als erste lesen zu dürfen. Angst, verhaftet zu werden. Eck las ein Dokumentarstück über Kronstadt. Die Roten Matrosen wurden im Auftrag von Lenin und Trotzki erschossen. Forderungen von 1921 entsprachen bis hin zur Reisefreiheit denen des Neuen Forums. Volker Braun sagte, die Theater müssten den Text spielen. Keine Reaktion. Ich schrieb das Drama zu einem Prosatext um. Er wurde in der Zeitschrift Gegner abgedruckt. ′Aber ich brauche auch Geld.′

Es gab Inszenierungsangebote von Laien. Ich hörte nicht hin. Ich wollte nicht mit monströser Musik arbeiten müssen, um das Publikum einzulullen. Wenn ich Regie geführt hätte, hätte ich das Laienhafte überbetonen lassen, so dass es inszeniert gewirkt hätte. Das RammTheater, in dem Leidende Agressionen mit Hilfe einer Fabel bündelten, Zuschauern das Gefühl vermittelten, sie könnten kurz später in Flammen stehen, Benzin schwappte bis vor ihre Füße, gab es. Theater, in dem sich Schauspieler wiederholen, langsam reagieren, als könnte es Bilder ins Gehirn brennen, gab es. Eck sah auf die Uhr, Gedanken trifteten ab. Sie hatte keine eigenartige Regievision, sie sah Inszenierungen an, um den Regisseur aufzuspüren, den sie für ihre Texte wollte. Als sie vor ihm stand, lobte sie ihn, sie sagte nicht, dass sie Dramatikerin ist. Sie hatte Angst, er könnte ′Frauen können keine Dramatik schreiben′ sagen. Matthias Brenner war mein Wunschregisseur.

Ein Theaterkritiker hatte mich in ein Seminar eingeladen, Studenten sagten, das Ungewöhnliche an Ecks Texten sei, dass sie mit Normalsprache arbeiten würde, Eck hörte das verblüfft an. Hartmut Krug sagte in der Pause, dass ich aufhören solle, Dramen zu schreiben. Ich fragte die Studenten, ob sie ihm zustimmen, sie sagten ′Nein.′ Eine junge Frau borgte ein Dramenbuch, gab es einem Dozenten, sie wollte, dass er mir einen Job an der Universität gibt; ich verlangte Jahre später das Buch zurück, er hatte es nicht gelesen. Eine Literaturagentin sagte, ich solle Kontakt zum Baseler Theater knüpfen, mich auf sie berufen. Ich brachte Texte und Tonträger in die Dramaturgie, sah mir Inszenierungen an. Ich sah nichts Ungewöhnliches, nichts, was abschreckte. Ich sah am Spielplan, dass mein Vorschlag ′Puppe Emily′ für eine Collage Thema Endzeit nicht angenommen worden war. Ich fragte nach. Keine Antwort. Eck beschwerte mich beim Intendanten. Die Dramaturgin hatte nichts gelesen, angehört, - sie sagte, sie könne nicht auf jeden reagieren. Ich fragte, ab wann ein Dramatiker nicht mehr jeder ist. Eck wollte das Material zurück. Es sei weg. Beschwerden. Es wurde gefunden. Der Intendant, Michael Schindhelm. hatte für die Staatssicherheit gearbeitet. ′Jeder kann sich verändern.′ Auffällig war aber, dass er Intendant werden konnte, während ich als sogenanntes Opfer des DDR-Regimes wie ein Bettler da stand. Eck behauptete, fiktive Verhöre der Staatsicherheit hätten sie zur Dramatikerin gemacht.

Eck träumte nur einmal vom Theater, die Volksbühne in Berlin schien so groß wie eine Stadt. Die Theater waren vor dem Mauerfall eine Oase gewesen, ich ging hin und lernte Zuschauer und Schauspieler kennen. Sie wurden Freunde oder Geliebte. Nach dem Mauerfall wirkte die Welt in Theatern geschrumpft. ′Ich will sie betreten können.′

Ich hatte Whisky getrunken, nicht geraucht, im Zug eine Frau um eine Zigarette angebettelt, ich zeigte Fotokopien und klagte, dass ich keine Aktmodelle hätte. Die Fremde war Tänzerin und ließ sich mit Asche bestreichen. Ich gab ihr das Buch ′Steppenwolfidyllen.′ Sie sagte kurz später, ihre Mitbewohnerin habe das Buch gelesen, ihr Vater habe es lesen müssen. Matthias Brenner rief an, ′Wir könnten in Berlin über die Texte reden′, ′Du könntest mich zu einer Premiere einladen.′ Er sagte, dass die Texte faszinieren, aber keinen Regisseur brauchen. Ich finde Theater aber am faszinierendsten, wenn der Text pur und die Inszenierung ohne Sprachkenntnisse funktionieren könnten.

Ich hatte, um Geld verdienen zu können, mit Rundfunkanstalten zusammen arbeiten sollen. Eck sollte, während die Mauer fiel, für das DeutschlandRadio eine Liebesgeschichte ausdenken. Ich brauchte Geld, aber ich war unfähig, mich vom Politischen ablenken zu lassen. Eck fragte, warum die Rundfunkdramaturgin den Text nicht selbst schreibe - ′Weil du schreiben kannst.′ Als die Mauer in Berlin gefallen war, verlangte sie einen Text über die Mauer. Kurz später war sie entlassen, ′Vielleicht arbeitete sie für die Staatssicherheit.′ Eck schrieb, um Geld verdienen zu können, ein Trivialstück zum Jahrestag des Mauerfalls, ein Dramaturg fand den Text o.k. Er sagte, er habe ihn nicht durchsetzen können. Wochen später war er tot. Eine Rundfunkredakteurin schrieb so knapp begründete Absagen, dass ich unsicher blieb, ob sie Arbeiten zur Kenntnis genommen hatte. Ich schickte Kopien von Briefen, in denen die Texte gelobt worden waren, es provozierte einen ausführlichen Absagebrief. Wenn die erste Antwort so ausführlich gewesen wäre, hätte ich gewusst, dass wir kein Gespür für einander haben. Eine andere Dramaturgin hatte vorgeschlagen, einen Text gemeinsam zu schreiben. Ich lehnte ab, Erinnerungen an Versuche, mit Fremden zusammen zu arbeiten, waren zu frisch, Dramaturgen hatten Entscheidungsbefugnisse, ich nicht. Dramaturgen/ Redakteure konnten die Inszenierung eigener Texte durchsetzen. Möglicherweise kam mein Protestbrief an Gabriele Bigott in die Akten. Ines Geipel, die sich für die Inszenierung/Sendung meiner Texte einsetzte, wie sie sagte, erzählte, sie habe das Gefühl, ich stände auf einer ′schwarzen Liste.′

Die Arbeit eines Kollegen war als Hörspiel inszeniert worden, Eck hörte sich das in einem abgedunkelten Theater an. Peter Wawerzinek saß so brav, dass Eck glaubte, dass er nicht anwesend ist und überlegte, ob sie in die Inszenierung reinsprechen sollte, damit etwas von seiner provozierenden Art zu spüren ist. Er war brav, weil sein Text inszeniert worden war. Die Dramaturgin kam auf Eck zu und sagte: ′Dieses hübsche Gesicht habe ich schon einmal gesehen.′ Sie nannte unsere Tonproduktionen zu ′radikal-subjektiv.′ Ich fragte, ob ihr aufgefallen sei, dass Männer, die eigenwillig arbeiten, eine Chance auf dem Literaturmarkt erhalten, Frauen nicht. Ich schickte ihr ′Werther sagt Lotte′, weil Menschen aus allen sozialen Schichten diesen Text akzeptieren können. Ohne Antwort. Keine Rücksendung. Der Geschäftsführer des Literarischen Colloqiums, Uli Janetzki, hatte mit mir gewettet, dass der Bremer Rundfunk Ecks Arbeiten senden wird. Sie erhielt eine Vordruckabsage, als ich mich beschwerte, schrieb der Redakteur, dass er mehr Autoren kenne, denen er sich verpflichtet fühle, als er Sendeplätze zur Verfügung habe und dass er deshalb keine Texte von anderen Autoren zur Kenntnis nehmen wird. Eck verspürte keine Lust, Sekt einzufordern. In der Vordruckabsage stand ′herzlichste Grüße Ihr′, im Antwortschreiben nicht. Reich-Ranicki sagte, dass er zu alt geworden sei, neuere Texte wahrzunehmen.

Ich fragte einen Rundfunkredakteur, ob er ein Psychopath sei, der Autoren demütigen will. Ich schrieb, dass ich mich bei Wolfgang Hilbig über ihn beschwert hatte und Hilbig angeboten hatte, mir zum Trost gefüllte Paprikaschoten zu kochen. Corino sagte, Hilbig solle nicht vergessen, dass er ihn aus der Gosse geholt habe. Corino klagte, dass er Politisches in Texten nicht mehr ertragen könne, er werde täglich mit Klagen bombardiert. Er ließ Monate später ′Werther sagt Lotte′ senden, der Mitteldeutsche Rundfunk übernahm die Produktion, eine Frau sagte, sie sei stolz, dass Menschen aus ihrer Heimatstadt die Sendung produziert hatten.

Ich hasste Ohnmachtsgefühle.

Der Schauspieler Peter Schulze-Sandow hatte anderen erzählt, er werde mit Eck eine Performance erarbeiten, er habe die handwerkliche Ausbildung, sie das Temperament, sie würden im Sommer mit einem Leiterwagen über die Dörfer ziehen. Mir war vor Schreck übel geworden. Ich hatte eine Schreibwerkstatt betreut, die Kinder waren ins Romeo- und Juliafieber gekommen, sie hatten ohne Musik im Mondschein getanzt. Sie schrieben Gedichte und Gegengedichte. Ich schrieb ′Romeo und Julia zwischen Tieren.′ Der Schauspieler sprach Romeo, Eck Julia. Der Schauspieler ging auf Tournee. Eck ärgerte sich, dass sie kein Geld hatte, ihn bezahlen und verlangen zu können, dass er vor der Abreise vorbeikommt, einige Sätze noch einmal ins Mikrofon spricht. Ich schrieb ans Ministerium, fragte, ob wir einen Bruchteil der Theatermittel erhalten könnten, um Texte von Dramatikern mit Schauspielern vertonen zu können. Antwort: ′Es muss etwas für Dramatiker geschehen.′ Ich sollte Finanzierungsanträge schreiben.

Der Geschäftsführer des Literaturbüros Thüringen, Jürgen Paasch, rief an, fragte, ob wir Tonträger mit ′Thüringer Lyrik′ produzieren könnten. Wir stimmten zu. Nach der Jurorensitzung erfuhr ich, dass entschieden worden sei, das Lyrikprojekt mit Honoraren für die Autoren zu unterstützen, die Produktionskosten sollten uns über Verkäufe, die ich organisieren sollte, erstattet werden. ′Das war nicht unser Projekt!′ Ich hörte kein Wort über das ′AutorenminimalARTheater im Ohr.′ Er hatte Dramaturg werden wollen, nicht können. Er wollte einen Verlag gründen, ihm fehlte Geld. Er sagte, dass er Menschen hasse, die produktiver leben könnten als er. Eck hatte ihm angeboten, dass er mit uns zusammenarbeitet. Sie sagte, dass er sich Urlaub in Hotels und gute Weine leistete, wir nicht. Wenn wir Geld hatten, gaben wir es hin, um Arbeitssituationen zu verbessern.

Wir hatten kein Geld für Schauspieler. Ich erarbeitete mir verschiedenen Stimmen. K bearbeitete sie, die Männerstimmen klangen schwul. Eine Frau erzählte, sie habe die CD in ihrem Zimmer abgespielt, eine andere habe sich nicht reingetraut, weil sie gedacht habe, es wären viele Menschen drin. Es klang gekünstelt.

Ein Redakteur sagte, in Mitteldeutschland würden nur einfach strukturierte Geschichten gesendet, unsere Produktionen kämen ins Archiv, es sei eine literarisch anspruchsvollere Sendereihe geplant. Ich bot an, als Dramaturgin für diese Sendereihe zu arbeiten, keine Antwort. Ein Autor schrieb, dass der Sender seine Arbeit abgelehnt, ins Archiv gestellt habe, um sie später - Eck unterstellte dem MDR, dass die Legende, Tonmaterial könnte später gesendet werden, benutzt wurde, um den Zorn von Autoren zu dämpfen, Rücksendeporto einzusparen. Als ich mit dem Auto in eine vereiste Moorlandschaft gefahren war, sah ich zwischen zerfallenen Häusern schemenhaft einen Tisch. Menschen saßen und tranken Bier. Das Schilf wisperte im Wind, ich hörte hin. Eck ging zwischen Menschen, notierte, was sie hörte. Ich zweckte den Text an das Tor einer Scheune, Fremde lasen und stimmten ihm zu. Ich klebte den Text im Kunsthaus Tacheles an die Wand, Fremde behaupteten, sie hätten den Text mehrfach und spontan mit verteilten Stimmen gelesen, die Stimmen seien wie aus ihnen heraus gekommen, ein anderer fragte, wie er den Text von der Wand mitnehmen könnte. Ginka Steinwachs verlangte, dass ich für den Text ′Scheinschwanger. Deutscher Biergarten′ kämpfe, bis er inszeniert, gesendet worden ist. Ich konnte nichts tun, als Rundfunkanstalten anzuschreiben, Dramaturgen zu bitten, dass sie den Text lesen, Hörspielregisseuren geben, die sich für politisch-experimentelle Texte interessieren. Sie behandelten mich, als sei ich eine Idiotin, die nicht begreifen will, dass ihre Texte für ihre Vorstellung von Rundfunk nichts taugen. Sie sagten, der Text sei zu kurz oder ein Brei. Ich musste Rundfunkgebühren bezahlen, ob ich wollte oder nicht.

Das Internet bietet Möglichkeiten, Texte zu veröffentlichen. Ab und zu kam ein Mail von jemandem, der im Urlaub aus Langerweile alle Texte der Webseite gelesen habe oder fasziniert von der ′skelletierten Fülle′ nicht vom Computer weg gekommen sei. Texte wurden ausgedruckt, verteilt, gelesen, Hörspiele angehört, ′Ich brauche auch Geld.′

Einladung ins Jenaer Theater. Eck mailte eine Gegeneinladung. Sie könne ins Theatercafé kommen. ′Ich will, dass Sie zu mir kommen.′ Der Dramaturg war so schwer, dass sie Angst hatte, dass der Stuhl zusammenbricht. Oliver Held sagte, Eck könnte einen Text für das Jenaer Theater zum Thema Wohlfühlkrieg schreiben. Sie saß wie ein kleines Mädchen vor ihm, das nicht weiter weiß. ′WohlFühlKrieg.′ Das Wort war im Kopf. Drumrum tauchten schemenhaft Szenen auf, verschwanden, bevor sie sie wahrnehmen konnte. ′Ich hoffe, er betrügt mich nicht.′ Sie spürte, dass der Wahnsinn in sie gekrochen war, - Angst, umworben, betrogen zu werden. Sie war für ihn ein Gesprächspartner unter vielen.

Er sagte, dass er in Jena nichts für sie tun könne. Er wechselte nach Freiburg. Er sagte, dass er ′Werther sagt Lotte′ inszenieren lassen wird. Er nannte einen Termin. Ich schickte einen Plakatentwurf. Es gäbe kein Geld für ein Plakat. Matthias Brenner wurde Regisseur. Ich war zum Zeitpunkt der Uraufführung in Mexiko. Meine Tochter sah sich die Inszenierung an und fand sie ′schön′. Sie erhielt als Vertretung nur eine Freikarte und Fahrtkosten erstattet, weil ich darauf hinweisen konnte, dass ich noch keinen Vertrag unterschrieben hatte. Sie habe Vertretungsrechte. Ich hatte geglaubt, ich würde ein Monatsgehalt eines Dramaturgen oder Regisseurs als Honorar erhalten, ich erhielt tausendzweihundert inklusive dem Honorar für fünfzehn Aufführungen. Ich riskierte nichts. Ich hörte, dass die Schauspielerin ein Glücksfall sei. Ich war froh über jeden Cent. Hartmut Krug, sagte, er habe den Premierentermin zu spät erfahren. Daniel Fiedler war Mitarbeiter des ZDFTheaterkanals geworden und sagte, er hätte Mitarbeiter von Arte hinschicken können, er habe den Termin nicht gewusst. Ich sah mir die Inszenierung während eines Gastspiels im Deutschen Nationaltheater an. Ich hatte an die Intendanz gemailt, dass ich mir Jahre zuvor geschworen hatte, das Haus erst wieder zu betreten, wenn die Lesung, die vom Theater organisiert worden war, bezahlt worden ist. Ich verlangte Freikarten. Mails, Faxe, Anrufe. Ich rief erneut an und wurde gefragt: ′Wer ist eigentlich Ines Eck?′ ′Die Autorin.′ Wir sahen zuerst die Werther-Inszenierung des Deutschen Nationaltheaters. Es wirkte wie Laientheater. Das Publikum spendete stürmischen Applaus. Wir hatten das Gefühl zu träumen. Das Publikum applaudierte, weil der Regisseur Bürgermeister und andere Angestellte der Stadt als Statisten verwendet hatte. Als ich mich in die Inszenierung meines Textes setzte, saß Eck vor Angst steif. Ich blieb steif, aber es war Faszination. Dramaturgie, Regie, Schaupielleistung gingen unter die Haut. Moment von Glückseligkeit. Das Publikum trampelte, um sich losreißen zu können. Der Regisseur rief an und war zufrieden, dass ich zufrieden war. Er hatte den Text im Paul-und-Paula-Stil inszeniert. Eck hätte die Inzenierung ungehemmt an Goetheinstitute in alle Welt vermittelt, in einen Film gebannt. Sie hatte keine Kamera, keine Beziehungen. Das Mitteldeutsche Fernsehen sagte, es dürfe nur aller vier Jahre eine Theaterinszenierung verfilmen. Das Jenaer Theater weigerte sich, die Inszenierung einzuladen. Matthias Brenner sagte, er wolle den Text noch einmal inszenieren, und ′Das Fimilienhaus. Die Süchtigen.′ Regisseure können nur in eigenen Theatern bestimmen, was sie inszenieren wollen. In eigenen Theatern sind sie mir Verwaltung beschäftigt.

Die meisten Internetzugriffe waren auf ′Marquise von O.′ Ich schrieb an Rundfunkanstalten, Theater. Das Theater in Freiburg inszenierte ′Marquise von O.′, der Dramaturg reagierte empört, als ich nachfragte, ob meine Anregung/meine Textvorlage benutzt worden war. Oliver Held hatte mir zuvor gesagt, dass Theater, um Kosten zu sparen, unfair gegenüber Freischaffenden agieren.

Der Chefdramaturg des Erfurter Theaters, Klaus Gronau, hatte sich ein bibliophiles Manuskriptbuch geliehen, als ich es zurück erhielt, hatte es Kaffee- und Fettflecken. Ich schickte ihm eine Rechnung, sie wurde nicht bezahlt. Er war unfähig gewesen, auch nur eine szenische Lesung zu organisieren, obwohl er ′Gespensterzeit′ für den Europäischen Dramatikpreis nominiert, Texte mehrfach gelobt hatte. Ich verstand das nicht. Die Chefdramaturgin des Leipziger Schauspielhauses, Dagmar Borrmann, klagte, dass die Geldmittel der Theater für Freischaffende wegen den Gehaltserhöhungen, die Gewerkschaften für Angestellte durchgesetzt hatten, beständig knapper werden, sie sagte, wenn Eck in der Stadt sei, könne sie zum Kaffeetrinken ins Leipziger Schauspielhaus kommen. Ein Ich wollte das ablehnen, das andere wollte hin.

Die Dramaturgin schickte einen Arbeitsauftrag ohne Vertrag, Thema: ′Altern und Beschleunigung.′ Ich stellte mir vor, dass in immer kürzeren Abständen Erinnerungen geweckt werden, so dass das Abgleiten in eine unveränderliche Realität beschleunigt wird. Ich erinnerte mich, dass ich Episoden für Fantasiewelten gesammelt hatte, falls ich wegen politischem Äußerungen in den Knast muss. ′Verkalkung ist eine Art Knast. Eine alternde Frau sammelt immer hektischer Episoden für die Zeit der Vereinsamung. Die Dramaturgin wurde entlassen, Begründung: sie habe Regisseuren und Intendanten nicht genug Widerstand geleistet. Sie erhielt eine Dozentenstelle an der Leipziger Universität. Ich gönnte sie ihr, verstand aber nicht, dass sie unfähig gewesen war, auch nur einen Job für mich zu realisieren.

Klaus Pierwoß kam zu einer Verabredung zu spät, weil er im Sessel eingeschlafen sei, er werde Ecks Texte Regisseuren in den Urlaub mitgeben. Er fragte, ob Eck Kontakte zu Regisseuren habe, Eck nannte Namen. Er sagte, er sei mit ihnen verkracht. Eck war in einer Art Ratlosigkeit, wie ihr Leben weitergehen könnte, stammelte Sätze, ihr Körper krümmte sich, die Arme hackten Luft. Ich dachte, dass das idiotisch wirken muss und sah im Spiegel: Es wirkte theatralisch. Ich ging ins Theater. Die Schauspieler bewegten sich so. Laut Programmheft redeten sie über Sex zwischen Familienangehörigen. Ich sah hingegen Angst vor der Gesellschaft außerhalb der Familie. ′Hatten Sie Sex in der Familie?′ Das Zuschauergespräch mit der Regisseurin wirkte wie ein Therapiegespräch. Wir wurden einander vorgestellt, gingen saufen. Wir waren uns in Ohnmachtsgefühlen, Zorn auf die Gesellschaft einig. Christina Emig-Könning sagte, sie habe Ecks Arbeiten gelesen. Ich erinnerte mich plötzlich, dass ich ihr Texte nach einer Inszenierung, deren theatralische Mittel mich beeindruckt hatten, auch wenn sie zu lang gewesen war, hatte zukommen lassen. Ich fragte sie, ob sie eine Trivialgeschichte, in der der Sohn seinen Vater von Kampfhunden, die der züchtete, um in dieser Gesellschaft Geld verdienen zu können, zerfleischen lässt, inszenieren würde. Ich konnte mir den Text nur in Agit-Prop-Theater-Manier inszeniert vorstellen. Die Regisseurin sagte, sie könne nicht aus ihrer Art, Regie zu führen. Sie wollte den Text umschreiben. Ich wollte Texte zurück, die Regisseurin wollte sie noch einmal lesen. Sie kündigte Besuche an, kam nicht. Ich ging zu einer anderen Premiere. Ich fand die Inszenierung ok. Die Regisseurin bat, dass ich das den Schauspielern sage. Eck sagte den Schauspielern, dass es ein Abenteuer sein kann, Moment einer fast unverständlichen Inszenierung zu sein. Ein Schauspieler sagte, er habe während der Inszenierung den Beruf wechseln wollen, er stimmte mir zu. Ich setzte mich an den Tisch der Regisseurin und wurde einer Bühnenbildnerin vorgestellt, ′Das ist eine Autorin, die Schweres erlebt hat. Vor der Wende, danach.′ Eck gefror das Blut in den Adern. ′Sie ist eine aggressive Autorin.′ K protestierte. Die Regisseurin kündigte an, mir die Textstellen zu zeigen, die sie beeindruckt hatten. Eck wollte ihre Arbeiten nicht zensieren lassen, sondern zurück. Sie musste warten. Sie bat, K sie anzurufen, ′Diese Frau nimmt mich nicht ernst.′ Sie fand es nicht schlimm, dass die Regisseurin, Texte nicht inszenieren wollte, ′Ich hatte Neugier, wie sie von ihr inszeniert, wirken.′ Sie wollte den bibliophilen Dramenband zurück, ′Es steckt Lebenszeit, Arbeit drin.′

Eine Schauspielerin gab Ecks Texte Regisseuren. Die Regisseure lasen nichts. Die Schauspielerin fühlte sich wie eine Versagerin. Ich sagte: ′Ich habe auch nichts erreichen können.′ Das Kulturamt Jena schrieb einen Dramatikpreis aus. Das Preisgeld entsprach dem Honorar für eine Auftragsarbeit. Eck glaubte, dass sie den Lenzpreis kriegen müsste, weil der Kulturdezernent sie aufgefordert hatte, die Stadt zu verlassen, behauptet hatte, sie würde Unruhe stiften, wenn sie nur schwarz gekleidet durch die Straßen ginge. Volker Braun sagte, er habe Ecks Text für den Preis nominiert. Der Geschäftsführer ′Theater der Zeit′ drückte den Text durch, den er als Buch herausgegeben hatte. Andere Juroren befürworteten einen Text, der bereits inszeniert war. In der Rede des Kulturdezernenten wurde Lenz als psychisch krank dargestellt, die Gesellschaft als Auslöser seiner Reaktionen nicht problematisiert. Als der Preis erneut ausgeschrieben wurde, war zu lesen, dass der Text ins Jenaer Theaterprogramm passen müsse, während LenzTexte als nicht spielbar galten. Die Ausschreibung eines Reinhold-Lenz-Preises war Marketingidee, Dramatiker hatten Druck- und Portokosten, gaben Zeit hin.

Ich war als Kind von den knappen Dialogen der Westernfilme fasziniert gewesen. ′Die Männer reden nicht viel, weil die Cowboys Cowboys und keine Schauspieler sind.′ Eine Filmgesellschaft lud mich und andere Autoren ein. Wir sollten erfolgreiche Filme nachahmen. Wir sollten beständig daran denken, dass der Film mehr als vier Millionen Zuschauer faszinieren müsse, aus Kostengründen nur wenige Schauplätze haben dürfe, der Kommissar müsse um dem Durchschnittszuschauer zu ähneln, ab und zu vor dem Fernseher sitzen und Bier trinken. ′Ein verfilmtes Drehbuch pro Jahr könnte das Existenzminimum absichern.′ Eck dramatisierte einen Zeitungsartikel und fragte, ob die Filmleute mit ihr zusammenarbeiten wollen. Der Dramaturg schrieb, er sei von der klaren und sinnlichen Sprache beeindruckt und hoffe, dass es zu einer Zusammenarbeit kommen wird. Eck fehlte die Story. Sie ging zur Polizei, hinterließ ihre Adresse. Sie schrieb, dass sie keinen Kriminaltext ausdenken, aber eine Prosavorlage dialogisieren könnte. Keine Antwort.

Eck saß mit einem Galeristen und seiner Frau am Tisch, wir aßen zu Abend, sprachen über Trivialliteratur, verteilten spontan Rollen, sagten, was geschehen könnte. Mann, Frauen, Liebe, Missverständnisse, Krankheiten, Verzicht - am Ufer des Rheins, das Hochwasser stieg. Eck konnte sich am Morgen nicht an die Episoden erinnern. Es blieb eine Sehnsucht zurück, fressend, saufend und kichernd Texte mit anderen zu erarbeiten.

Ecks Vater und ein Schauspieler stimmten einem Kolportagekrimi gekoppelt mit einem Sozialdrama als Filmvorlage zu. Der Chef der Filmfirma unterstellte aber, Eck wolle sich über ihn lustig machen. Ich fragte meinen Vater, ob er an einer Drehbuchserie mitarbeiten würde. Er sagte, Ecks Texte wären zu zynisch. Ihr Hass auf den Marktdruck war spürbar.

Ein Mitstudent hatte gesagt, man müsse Vertreter der polnischen Gewerkschaft an die Wand stellen, erschießen, Lutz Müller war nach dem Mauerfall Programmdirektor beim Mitteldeutschen Fernsehen geworden. Als er sagte, dass der Sender Dialoge in Kanada schreiben lassen müsse, weil die Autoren in Deutschland zu eigenwillig seien, sagte Eck, dass sie auf eigenes Risiko versuchen würde, Dialoge zu schreiben. Sie wollte einen Job, in dem sie mit dem Laptop unterwegs sein kann. Keine Reaktion. Sie fühlte sich wie eine Hure.

Sie hörte, dass ′Theater im Business′ fair bezahlt wird. Sie dachte, sie könnte mit Hilfe von Rollenspielen nach Problemen in Betrieben forschen. Sie sah sich einen Dokumentationsfilm an. Die Schauspieler vermittelten Angestellten die Aussagen der Betriebsleitung, sie sagten, man müsse Arbeiter entlassen, wenn man kein Sanatorium werden wolle. Sie boten denen, die entlassen werden sollten, nicht an, dass Entlassenzusein auch Freiheit bedeuten könnte, Neues auszuprobieren. .

Eck erhielt ein Zweimonatsstipendium, sie dramatisierte den Roman einer Rentnerin ′Turm der Alten′ zu einer Szenenfolge, die sie Altersheimen zur Verfügung stellen wollte. Sie war bereit, den Text für ein tradiertes Theater zu konzentrieren, sobald ein Regisseur interessiert reagieren würde. Eck lästerte, dass ihr Weltempfinden in Ordnung war, sobald ein Stipendienbescheid eingetroffen war, der Arbeit als Arbeit anerkannte. Ein Komponist, Johannes Schlecht, wollte ein Libretto, Eck recherchierte, schrieb einen Monolog, ′Das ist ein geistig-emotionales Abenteuer.′ Sie erhielt ein Stipendium und dramatisierte ihn. Der Komponist reagierte zufrieden. Mein Vater sagte, der Text sei holzschnittartig geworden, er eigne sich nur für ein Hörspiel. Der Mitteldeutsche Rundfunk realisierte den Text nicht, obwohl die Heilige Elisabeth in Eisenach gelebt hatte, mein Vater als Gutachter für ihn arbeitete. Ich verstand nicht, dass mein Vater -für den ich mich eingesetzt hatte- nicht bereit war, meine Arbeiten als Gutachter und Juror zu unterstützen, bis er zu seinem Geburtstag nachgedichte und eigene Texte gelesen hatte. Seine Texte waren nicht schlechter als die, die er übersetzt, heraus gegeben hatte. Die Lektorats-, Herausgeberarbeiten und Nachdichtungen waren Jobs, er hatte als freischaffender Autor leben wollen. Mein Bruder hatte gesagt: ′Deine Tochter hat es getan.′ Ich konnte aber nicht als freie Autorin leben, wenn er und andere mir aus Sehnsucht, selbst anders leben zu können, nicht helfen wollten. Ich hörte, Menschen, die scheiterten, trösteten sich damit, dass ich gescheitert bin.

Ich wollte ′Knastrivial. Das Arbeitshaus′ dramatisieren, sobald ich ein Stipendium erhalte, das Arbeiten als Arbeit anerkennt. Aber ich schickte rasch entworfene Szenen zu einem Wettbewerb, wurde nominiert und musste auf eigenes Risiko schreiben. Ich saß Monat für Monat wie ein Schüler, der Hausaufgaben erledigt. Der Text wurde durch die Kritik eines Dramaturgen kontrastreicher, strukturierter. Ich sagte: ′Wenn ich den Preis kriege, Aufträge erhalte, will ich weiter mit dir zusammenarbeiten.′ Er sagte, er sei von der Sprache fasziniert, ein anderer kritisierte die Sprache. ′Du musst hoffen, dass die, die für dich sind, die stärkeren sind.′ Das ist das Theatralische im Leben. Ich kriegte in Graz die faszinierendste Teilinszenierung, den stärksten Applaus, Glückwünsche, aber das Preisgeld ging an den, der in Mundart, die sexuelle Vergewaltigung der Tochter durch den Vater in Mundart dargestellt hatte. Mein Vater hatte gesagt, dass ich, falls ich reich und berühmt werden wolle, behaupten müsse, dass er mich sexuell vergewaltigt habe. Er erhielt Recht. Ich konnte nichts tun. Wir füllten zur Party die Weingläser mit Wein aus einem Pappkarton nach, um Geld zu sparen. Eck erhielt für die Teilinszenierung kein Honorar, weil es ein Wettbewerb gewesen sei. Regisseure, Schauspieler wurden bezahlt. Eck gab den Text an die Schaubühne. Sie gaben ihn, ohne ihn zu lesen, in ein Preisausschreiben. Eck schickte ihn an ′Theater der Zeit.′ Als ich anrief, wusste der Geschäftsführer Harald Müller nichts. Eck sollte den Text noch einmal mailen. Sie faxte den Text, er las nichts. Ich hörte Klagen, die Autoren wären brav und unpolitisch. Ich fühlte mich in einer parallelen Welt.

Provinztheater scheuen sich nicht, Wettbewerbe auszuschreiben. In denen Dramatiker unbezahlt arbeiten sollen. Einer erhält Geld. Es gibt Themen, die als Anregung verstanden werden können, aus der ein Text entstehen kann, der Bestand hat. Einige Theater forderten aber, dass man für einen Ort schreibt. Eine Ausschreibung hatte mich gereizt, weil das Sozialamt in einer ehemaligen Schlachterei angesiedelt worden war.

Eck schrieb mit Hilfe von Episoden einen Dialogroman. ′Wedding ohne Hochzeit. Material für Hörspiele. Inszenierungen.′ Ein Theaterensemble zog in die Straße. Arno Kleinofen wollte Eck und K als Mitarbeiter. Die Arbeitsvermittlerin sagte, wir könnten nicht beständig auf Kosten der Steuerzahler leben. Sie verweigerte die Finanzierung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Sie wurde hoch dotiert von Steuergeldern bezahlt. Der Regisseur brauchte einen spielbaren Text und versprach Eck einen Arbeitslohn, der gering war. Er hatte auch den nicht zur Verfügung. Deutschland war eine Kulturnation, in der Jobvermittler ohne Jobs umfangreich bezahlt werden, freischaffende Künstler und Kulturschaffende, deren Arbeitsfähigkeiten in Anspruch genommen wurden, als Arbeitslohn nur Arbeitslosengeld erhalten können und weitgehend ohne Bürgerrechte und in beständiger Angst vor Schikanen leben müssen.

Es war die zweite Inszenierung, zu der ich nicht konnte, weil ich zum Arbeiten in die Wildnis geflohen war. Der Regisseur steckte Schauspieler in Hochzeitskleider, jemand spendierte zwei Zentner Kartoffeln, er ließ Einwohner mitspielen. Das Publikum habe mit offenem Mund gesessen, sich faszinieren lassen. Aber wer nicht aus Steuermitteln finanziert wird, muss Räume anmieten, Werbung selbst finanzieren.Der Regisseur vermutete, dass es ihm Schaden könnte, dass ich über Arbeitsbedingungen von Künstlern in Deuschland ungehemmt rede. Eine Mitarbeiterin des Bundestages hatte gelobt, dass Eck Kulturpropaganda öffentlich in Frage stellte, ohne Angst zu haben.

Wir verkrachten uns, als Arno Kleinofen sich nicht scheute, mir Starallüren vorzuwerfen, weil ich, um ihn zu entlasten, nicht auch noch Schauspielerin sein wollte. Wir verkrachten uns endgültig wegen hundertfünfzig Euro. Arno Kleinofen hatte geschrieben: "Noch ein klares Wort: wie gesagt, ich werde die in Rechnung gestellten Unkosten (Festplatte, Abzüge, Batterien, DVDs, also diese ca. 150,-) bezahlen", das Geld traf nie ein, Wir arbeiteten nbezahlt und hatten zusätzlich Kosten, ohne dass Arno Kleinofen andererseits für die Realiserung unserer Projekte arbeitete, so dass wir eine Art Hilfsgemeinschaft gewesen wären. Ich fühlte mich wie ein Idiot. Er realisierte mit meinem Text-Bild-Material Aufführungen, von denen ich im Nachhinein erfuhr, obwohl ich ihm die Nutzung untersagt hatte. Er wollte sich sogar meinen Dramentext ′Unser aller Brot′ mit der Begründung aneignen, er sei an der Produktion beteiligt gewesen, er hatte nur gesagt, dass er Interesse habe, ein Kochbuch des ersten Fernsehkochs in Österreich zu inszenieren, er hatte das Kochbuch nicht besorgen können.´Regisseure sind egozentrisch wie Regierende.´ Eck verstand Künstler als Seismographen für Prozesse in der Gesellschaft. Ein Dramatiker hatte gesagt, er schreibe, weil ihn die Vorstellung erotisiere, dass Männer seine Texte sprechen müssen, als kämen sie aus ihnen heraus, der Regisseur hatte genickt und gesagt, dass er dieses Gefühl beim Inszenieren auch habe. ′Machtspiele.′

Eck war gesagt worden, die Zentrale Vermittlungsstelle für Bühnen und Fernsehen könnte sie vor Schikanen durch Mitarbeiter von Jobcentern beschützen. Das Schlimmste, was ihr gesche;hen könnte, wäre die Vermittlung als Öffentlichkeitsarbeiter an ein drittklassiges Theater. Der Mitarbeiter sagte, Eck könne im Jobcenter sagen, dass sie von ihm Jobangebote erhalten wird, anderes zurückweisen.

Eine Arbeitsvermittlerin vom Jobcenter Spandau wollte sie zwingen, unbezahlt für eine Werbefirma zu arbeiten. Sie nannte das ′Praktikum.′ Eck kämpfte um bezahlte Arbeitsaufträge und sagte, dass sie eine schriftliche Begründung, was dieses Parktikum für sie für einen Nutzen haben könnte, will. Eck schrieb an einem Drehbuch über deutsche Verhältnisse, um Geld verdienen zu können.

Die PR Abteilung der Arbeitsagentur setzte das ZDF unter Druck, Eck sollte schriftlich zusagen, dasss sie nicht mehr sagen wird, dass sie für ein ZDFDrehbuch recherchiere, ich konnte aber wahrheitsgemäß sagen, dass mir eine Interessemeldung von ZDFMitarbeitern vorlag. Ich hatte zuvor die Pressestelle der Arbeitsagentur gefragt, ob ihr bewusst sei, dass eine Vielzahl jüdischer Zuwanderer in Hartz4Verhältnisse eingeordnet wird, in denen sie Besitz offenlegen müssen, die Stadt nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen. Eck schrieb am Drehbuch, während sie Drehbuchschreiben lernte. Die ZDFLektorin forderte ein gebundenes Manuskript und schrieb aus Versatzstücken von Vordruckabgsagen einen Brief. Eck rief an. Die Lektorin sagte, sie könne sich aussuchen, für welches Drehbuch sie sich entscheide, wie andere ′Äpfel auf dem Markt′ kaufen. Sie müsse am Tag fünfzehn Absagebriefe schreiben. Sie wird von Rundfunkgebühren bezahlt.

Eck wollte eine Warnfimproduktion gründen. Aber falls sie die Wahl hätte, würde sie eine Reihe ′Theatralischen Filme′ begründen, in denen sprachliche Freiräume sind. Sie hätte gern ein in sich stimmiges Team. Das Drehbuch kreiste. Rezension, Mails, Anrufe. Connexx/Verdi wolle helfen, den Film zu realisieren. Es wurde von Geld gesprochen. Eck konnte sich Billigproduktionen in den Ruinen der Heilstätten Beelitz vorstellen. Oder eine Inszenierungsart, in der nur Gänge von Jobcentern sind, aus denen die Köpfe von Sprechenden auftauchen.

Dramen wurden auf der Webseite täglich aufgerufen, ′Von wem?′ ′Keine Ahnung.′ Wenn Texte, Bildert, Töne benutzt wurden, war es Zufall, wenn wir davon erfuhren. Die Vorstellung ist zu Ende. Die Schauspieler werden ins Theatercafé kommen. Der Tisch in der Ecke ist für sie reserviert. Wenn ich alt geworden bin, werde ich hier sitzen, um Bier und Zigaretten betteln. Ich werde die Reste von den Tellern mit den Fingern in den Mund wischen, ich werde mich im Winter nachts im Klo verstecken, weil dort Wasser zum Trinken und Waschen, ein Becken zum Pinkeln, Scheißen, Kotzen ist. Wegen der Wasserspülung wird der Raum nicht unter Null Grad abkühlen. Ich werde auf den Wasserpolstern unter der Haut schlafen können. Sie werden mich essen, trinken, scheißen, schlafen lassen, weil ich ihnen Episoden aus dem Alltag einer Dramatikerin erzähle. Die Nobelpreisverleihung an Elfriede Jelinek veränderte nichts."

 

 


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