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Sehnsucht Afrika

Die Mauer fiel. Wir fuhren nach Norwegen, Schweden, Finnland, England, Irland, Schottland, Island,... Schweiz, Österreich... Frankreich, Italien, Spanien, Portugal,... Tunesien, Libyen, hatten die Sahara mit einem VW-Bus durchquert, wir fuhren mit einem Leihwagen durch Namibia. Wir waren aus Deutschland nach Afrika geflohen. Sehnsucht, daß die Hitze den Kopf entspannt. Sehnsucht, einen Job zu finden.

Ich hatte wissen wollen, ob ich das Klima vertrage.

Wir durften nicht in Flußläufen baden, "Würmer durchdringen die Haut." Mußten Trinkwasser desinfizieren, ´Desinfektionsmittel sind giftig.´ Ich hatte in den Flußgebieten Lariamtabletten vorbeugend gegen Malaria geschluckt, in der Hoffnung, sie könnten nebenher Borrelioseseerreger abtöten, die im Deutschen Wald von Zecken in mich gebissen worden waren, kam in Unruhe- und Angstzustände. Ich hatte über Klimanlagen in Autos gespottet und fuhr fast im Liegen. In einem ausgetrockneten Flußtal war es so heiß, daß die Temperaturanzeige des Motors rot anzeigte, wir mußten heizen, um ihn abzukühlen. Im ausgetrockneten Brunnen lagen Skellette von Ziegen. Das Blut schien dick zu werden, das Herz pumpte schwer. ´Ich könnte hier nicht arbeiten, ich brauche selbst Hilfe.´ Wir fuhren Richtung Küste.

In einer unheimlich wirkenden Hafenstadt mit Sperrgebieten, schwarzhäutigen Soldaten mit Maschinenpistolen, deutschsprechenden weißen Hausbesitzern, deren reinrassige Schäferhunde und Doggen mich ankläfften, bis ich ihnen gesagt hatte: "Es ist alles gut", zwischen pastellfarbenen Mondlandschaften, verlassenen Häusern mit sandgeschmirgelten, undurchsichtigen Fenstern, Nebel aus Sand, Wind, der Körner an die Haut und den Autolack peitschte, fragte ich mich: Was hatte die Menschen nach Afrika getrieben? Wir suchten Freiheit und kamen an Zäune, Privatbesitz. Ein afrikanisches Land. Doppelt so groß wie Deutschland. Fast überall Zäune. Tausende Kilometer straff gespannte Zäune. Sie klingen im Wind. Privatbesitz, Staatliche Naturschutzgebiete, Private Naturschutzgebiete, Pachtgebiete, Sperrgebiete. ´Nicht übertreten. Übertreter werden verfolgt.´ Da und dort lag an einem Zaun das Gerippe eines verdursteten Tieres.

Wenn ich pinkelte, sah ich die Steine, die um mich lagen, neugierig an. Halbedelsteine lagen da und dort, die Haut überzog sich mit silbernem Glimmer. Im sogenannten Diamantengebiet ist jedes Sandkorn gesiebt, "Es gibt dort keine Diamanten mehr", aber das Gebiet von zig Tausenden Quadratkilometern ist abgesperrt. Wozu?

Der Privatbesitz hat Tore, einige sind mit Vorhängeschloß verschlossen, an anderen stehen´privat´, ´No entry´ oder Namen von Farmen, Touristikunternehmen. Wir klinkten die, an denen kein Schild, hinter denen keine frischen, aber doch Fahrspuren waren, auf, um zu einem Rastplatz kommen zu können. "Rastplätze direkt an der Straße können Überfälle provozieren." Wenn das Gras hoch stand - Scheu vor Buschbrand, "Der Katalysator ist heiß", "Wozu brauchen sie in diesem Land Katalysatoren? Es ist fast kein Verkehr." Ich las zur Beruhigung: "Brandrodung ist schwierig, weil der Abstand zwischen den Grasbüscheln zu groß ist." Wir fuhren am Morgen zum Tor zurück.

Wir fuhren unberechtigt in ein abgezäuntes Lodgegebiet, auf unserer Karte war die Straße als durchgängig eingezeichnet. Nach zwanzig Kilometern erreichten wir ein Gehöft und erfuhren, daß es die Straße noch gibt, daß die Gebiete privatisiert sind, daß sie mit mehreren Toren für den Durchgangsverkehr verschlossen wurde. "Wo wollen Sie hin?" "Sanddünen ansehen." "Wir haben da hinten welche, aber-" Wir waren keine Gäste. "Ich habe nichts dagegen, daß ein Quadratkilometer um jedes Haus für andere gesperrt sein darf. Mehr nicht." Wir kamen an ein abgelegenes Farmgelände, bogen Draht auf, öffneten, verschlossen das Tor. An einem Torpfosten hing eine Kette mit Schloß. "Was,wenn uns der Farmer ärgern will, zuschließt"?, "Er wird uns nicht ärgern wollen", "Falls er zuschließt," "Könntest du das Schloß öffnen?", "Nein." Wir fuhren raus und in ein Bachbett, das ausnahmsweise von keinem Zaun verschlossen war und besprachen, wie wir reagieren müßten, falls Wasser kommt. Der Himmel war klar, die Luft trocken, es war Regenzeit.

Das Naturschutzgebiet um "die höchsten Sanddünen der Welt" öffnete eine Stunde vor Sonnenaufgang, schloß eine Stunde nach Sonnenuntergang das Tor zum Campingplatz. Das Außentor öffnete eine Stunde später, schloß eine Stunde eher, obwohl es nur hundert Meter entfernt war. Die zugänglichen Dünen waren mehr als vierundsechzig Kilometer entfernt. Es gab keine Chance, die Dünen bei Sonnenauf-, untergang, unter Nachthimmel zu sehen. Das Camp hatte wenige Stellplätze. Die Gäste der Lodge würden soviel Wasser verbrauchen, daß der Campingplatz nicht erweitert werden könne, der Wasserverbrauch der Lodge wurde nicht eingeschränkt, ´Was hat das mit Naturschutz zu tun?´ Wenn nach einem Regen Wasser zwischen den Sanddünen steht, ist der Eintrittspreis in den Nationalpark mehr als doppelt so hoch als in Trockenzeiten. ´Was hat das mit Naturschutz zu tun?´

Wir waren zu einer Hauptattraktion gefahren, sie bündelte Touristen, wir standen anderthalb Stunden allein auf dem Parkplatz, danach kamen zwei Autos, vier Leute stiegen eine der Sanddünen nach oben. Es wird behauptetet, die Dünen würden nicht wandern, die Spuren wären monatelang zu sehen. Als wir aufstiegen, war die Spur der Vorgänger bereits verweht. Der Sand war so heiß, daß ich umkehrte, Schuhe mit Ledersohlen anzog, wieder aufstieg. Inzwischen wehte Wind. Er zerstörte die Lust, auf dem Gipfel zu stehen, Panoramafotos von einer faszinierenden Landschaft zu machen. Wir rutschten in die Tiefe und liefen sandgepeitscht zu den Bäumen zurück, ich lief ohne Brille, "Damit das Glas nicht zerkratzt wird." Unter den Bäumen hätten wir Abendbrot essen, unter Sternenhimmel übernachten, am Morgen wieder zwischen Sanddünen laufen können, aber wir mußten mehr als sechzig Kilometer zum Camp zurückfahren, hätten übernachten, am Morgen wieder sechzig Kilometer fahren müssen, um wieder zwischen Dünen kommen zu können, "Zwischen den Dünen ist kein Wasser für ein Zeltplatz", "Wir haben Wasser. Es gibt offizielle Zeltplätze, zu denen Wasser mitgebracht werden muß. Krank. Die sind hier krank." Es waren Menschen mit schwarzer Hautfarbe an der Macht, ich verstand nicht, warum sie sich in dieser Rolle drängen ließen, ´Sie haben andere Probleme oder denken, das sei normal, weil sie nichts anderes kennen, als das, was Weiße hier installiert haben.´ In ihrem Siedlungsgebiet waren nur Hütten gelegentlich umzäunt, Schulen und Krankenhäuser mit Stacheldraht gesichert. Ein Mensch habe Anrecht auf Tausend Quadratmeter, er konnte traditionelles Baumaterial kostenlos nutzen. Wasser war kostenlos, Brot und Mehl billig. "Das ist auch eine Art Sozialhilfe."

Wir fuhren zu den höchsten Dünen der Welt. Wir durften auf einer Asfaltstraße in einem weiten, versteppten Tal nur sechzig Kilometer in einer Stunde fahren, "Übertreter werden verfolgt." "Vielleicht notieren sie die Zeit und berechnen, wenn wir angekommen sind, unsere Geschwindigkeit." Die letzten Kilometer Sandpiste. Wir fuhren fast zwei Stunden eher los, um rechtzeitig zurück sein zu können, nicht eingesperrt zu werden, Heiligabend auf einem Zeltplatz zwischen fremden Menschen verbringen, Konversation betreiben zu müssen. Ich machte von der Straße aus ein paar Fotos von Dünen, legte einen Film ein, das Weiterspulen klang befremdlich, ich sollte ihn durchknipsen, "Aber was? Kann ich ihn nicht einfach zurückspulen?" Die Batterie schien plötzlich alle, wir wechselten sie, es änderte sich nichts. Der Film war versandet, es raubte Zeit. Kurz später steckten wir im Sand fest. "Laß die Luft ab", "Das dauert zu lange", wir hätten die Reifen des Autos auf Asfalt aufpumpen müssen. Wir hatten nur eine Schaufel, aber vier Latten, die ich am Wegrand eingesammelt hatte, um sie als Sandbleche zu benutzen. Wir kamen raus. Wir sahen zur Uhr. Ich konnte nur noch aus dem Auto fotografieren. Ich konnte nur die Dünen, die auf meiner Seite waren, fotografieren. Wir fuhren schneller als erlaubt. Wir mußten schneller fahren. Als ein Auto auftauchte, Abbremsen, "Sie könnten die Geschwindigkeit mit Radar aufnehmen, um uns verfolgen zu können." Ich war gelegentlich unsicher, ob ich in einem Film einer Science Fiction war: Fast menschenleeres Land. Faszinierende Landschaften. Sie schien, wenn es dunkel war, ohne Zäune. Aber auch langweilig. Bis der Mond aufging.

Ich hatte auf der Karte einen Aussichtpunkt gefunden, "Der ist ohne Zaun.", Wir mußten zweihundert Kilometer fahren. Ich hoffte, daß zwischendurch zur Abwechslung eine Löwenfamilie auf der Straße liegt, aber das große Tier, das am Straßenrand wogte, "Paß auf!", waren nur Graschbüschel. Wir fuhren bis kurz vor Mitternacht, um eine Stelle ohne Zaun zu finden. Sie war zerklüftet und kahl, "Das Land wollte niemand." Wir knipsten das Standlicht der roten Notsignallampe an, um ein wenig Weihnachtsstimmung zu haben und tranken einen Sixpack Bier.

An den Toren von umzäunten Tierreservaten (in der Größe deutscher Bundesländer) wird Eintrittsgeld verlangt. "Wir gehen da nicht rein", hatte ich gesagt, "Aber wir waren doch auch letztens in Halle im Zoo." Wir mußten nach Sonnenuntergang auf vorgeschriebenen Plätzen sein, Geld bezahlen, die Quittungen werden am Ausgang kontrolliert. Am Ausgang mußten wir erneut bezahlen, weil der nächste Tag begonnen hatte. Die Toiletten und Camps sind mit Stacheldraht umzäunt. Ans Wasserloch kamen einige Antilopen. Im Licht der Scheinwerfer schwirrten Insekten. Sie fielen im Morgengrauen ermattet zu Boden, ein Schakal fraß sie auf. Keine Löwen, Elefanten.

Wir durften in Naturschutzgebieten die Straßen nicht verlassen. Es gibt wenige Straßen. Gelegentlich standen Einbahnstraßenschilder, Schilder "Staff only." Wir durften in Tierreservaten das Auto nicht verlassen, auch nicht, um zu pinkeln, auch dort nicht, wo die Umgebung licht war. Wir sahen im Park nicht mehr Tiere als draußen. Ein Großteil der Tiere, die wir seh-n-süchtig wahrnahmen, waren Baumstümpfe. Wir sahen Oryx-Antilopen, Gnus, Giraffen, Zebras, Springböcke... Da und dort bezeugten riesige Kackhaufen die Anwesenheit von Elefanten. In der Ferne zwei graue Flecken, wir sahen durch das Teleobjektiv des Fotoapparates, daß es Elefanten waren. Sie hätten Atrappen sein können. Als wir auf einer Straße außerhalb des Wildparks fuhren, liefen die Elefanten vor uns über die Straße, sie waren so nah, daß sie drohend mit den Ohren wedelten, wir fuhren davon. Wir sahen Leoparden im Vorbeifahren hinter einem Zaun eines Privatgeländes. Wir sahen in der Wildnis keine Leoparden, Löwen, nur Tatzenspuren, unsicher ob wir ihnen begegnen wollten. Wir leuchteten nachts mit der Taschenlampe, um Augen blinken zu sehen. Ich pinkelte, dort wo keine Esel in der Nähe waren, die zur Warnung gebläkt hätten, und wir Raubtierspuren, Puffottern, Skorpione gesehen hatten, nachts vorsichtshalber, auf der Leiter zum Dachzelt stehend, in eine Büchse, schüttete sie aus.

An den Zeltplätzen der Naturparks gäbe es Überfälle von Affen. Sie würden Zelte aufschlitzen, ´Weil die Menschen immer an der gleichen Stelle sind.´ Die Affen sahen in der Wildnis zu uns hin, gingen davon.

Im Robbenreservat lagen Robben und vermehrten sich hinter einem Steinmäuerchen. Wenn sich die Robben in der "störfreien Schutzzone" zu sehr vermehrt haben, werden sie abgeschlachtet. An diesen Tagen ist das Reservat für Gäste geschlossen.

Es gibt Jagdtourismus. Man darf Elefanten, Löwen... schießen und sich Trophäen nach Hause schicken lassen. Damit die Gäste, die nicht vom Weg abweichen dürfen, damit kein Tier erschreckt, keine Pflanze zerstört wird, auf Schüsse nicht verstört reagieren, werden Jagd- und Naturtouristen streng voneinander getrennt. Die Farm, in der die toten Tiere präpariert werden, zeigte am Eingang einen blauen Büffel, unter orangenem Leoparden, unter grünem Warzenschwein, unter gelbem Perlhuhn, "Bremer Stadtmusikanten. Aber die jagten die Räuber raus und besetzten das Haus."

Die Sehnsucht, mit Touristen Geld verdienen zu können, verursacht Wegelagerei. Wir fuhren eine Piste entlang einer Salzpfanne und kamen an Tore mit Preisschildern. Einzelpersonen ahmten das nach und forderten wie Polizisten mit Gesten zum Halten auf, - um nach Geld zu fragen.

Die Sehnsucht, viel Geld zu verdienen, verursacht Schauergeschichten. Als ein OldtimerJeap eines Camps, das für einen Tag ´alles inklusive´ 500 Euro kostet, an den Tümpel kam, an dem wir standen, fragte der Führer, ob wir am Morgen Löwen gehört hätten. Wir hatten Vögel gehört. Er zeigte den Gästen einen zerrissenen Schuh und das Horn einer Kuh. Wir suchten das Gelände nach Tatzenspuren ab. Vergebens. Nur Moskitos schwirrten. ´Vielleicht installieren sie Löwentöne um die Rastlager.´ "Wenn jemand eine Wasserstoffbombe in diese Wüstengegend werfen würde, würden sie kurz später Anzüge gegen radioaktive Strahlung verleihen, die Leute in die geschmolzene, erstarrte Sperrzone führen."

Wir kamen an ein Tor, das die Straße versperrte. Dahinter lag ein Camp ´Rettet die Rhinos.´ Vor dem Tor lagerten schwarzhäutige Männer und Frauen, eine weißhäutige Familie lebte hinter ihm in einer Idylle mit Palmen, Brunnen, Kühltruhe, Vanilleeis. Der weiße Mann war Naturschützer. Er trug eine selbstgebastelte Uniform und klagte über den Touristenstrom, der die Natur gefährde. Vor uns hatte an diesem Tag ein Auto das Tor passiert, kurz vor Sonnenuntergang. "Das Gebiet muß ein Naturreservat werden!" Der Naturschützer müßte keinen Eintritt zahlen, er dürfte als Wächter die Wege verlassen, querfeldein laufen/fahren. Wir hätten ihn als Führer anmieten können, er hätte uns zu den Rhinos gefahren/geführt, wir bezahlten nichts und ließen die Tiere in Ruhe. Ich sagte: "Ich hörte, Rhinos sind gefährlich." Wenn man zwischen sie und Wasserstelle kommt. Der Mann in Uniform sagte: "Es gibt nur ein gefährliches Tier - den Menschen." Ich lächelte süßsäuerlich.

"Es ist ein Menschenrecht, unterwegs zu sein." Wieso dürfen Reisende mittels Verbotsschildern gezwungen werden, anderen Geld zu bringen?" "Aber wegen der legalen Wegelagerei gibt es keine Anzeichen von Diebstahl, Raub, Totschlag." Es war verboten, im Ödland am Meer zu übernachten. Auf dem Verbotsschild stand kein Strafmaß, so daß wir hätten kalkulieren können. "Es gibt Pflanzen, die sehen tot aus, aber sobald Regen fällt, sind sie lebendig." Es gibt Pflanzen, die brauchen Druck. Andere Pflanzen siedeln in Spuren von Autos, Schuhen, Hufen. Die Buschmänner mußten ihre Jagd- und Sammelgebiete verlassen, für Naturschutzgebiete, Wildreservate, Privatbesitz. Sie erhielten die Erlaubnis, ´urwüchsig´ in Museumsdörfern zu hausen. Sie zogen weiter. Und kamen an Zäune. Sie durften das Eigentum der anderen nicht verletzen, ohne kriminell zu sein, bestraft werden zu müssen. Viehdiebe werden steckbrieflich gesucht. Sie wurden Alkoholiker. Die Entwicklungshelfer sagten: "Es wird zwei, drei verlorene Generationen geben." ´Auch Pflanzen, Tiere.´ Als in einem Naturreservat Diamanten gefunden wurden, bezweifelte niemand, daß dort eine Diamantenmine entstehen wird, trotz Naturreservat. Wir sahen Schürfungen der Prospektoren. ´Diese Verlogenheit in der Gesellschaft macht mich krank.´

Einer erzählte, er hätte in Spanien Strafe zahlen müssen, weil er in einer Wildnis campierte, weil er kein Klo im Gepäck hatte. Die Kacke der Menschen enthält Nährstoffe wie der Kot der Tiere. Rote, gelbe, blaue Schmetterlinge tauchten ihren Rüssel hinein und saugten Flüssigkeit. Schwarze Käfer landeten, stritten, kämpften um die Scheißhaufen, gruben Löcher, warfen den rausgewühlten Sand auf den Haufen, wenn der Gang groß genug war, rollten sie sich aus Sand und Scheiße Kugeln, schoben sie in die Gänge, verschlossen sie mit Sand. Der Nächste Käfer landete und nutzte, was übrig war. "Es ist nicht die Scheiße, sondern das Papier, das uns verstört. Auch an den Waldecken, in denen sie ficken. Es sagt, daß wir den andern egal sind."

Wir fuhren durch Ödland und bogen in eine faszinierende Berg-, Canyonlandschaft, "Das ist wie eine riesige Abraumhalde", "Vielleicht haben die Außerirdischen hier Uran abgebaut." Steine mit zitronengelben Ablagerungen. "Hier ist kein Naturschutzgebiet", "Ein Teil ist Naturschutzgebiet, ein anderer nicht. Sie könnten alle faszinierenden Landschaften teilen, in ein Naturschutzgebiet und ein befahrbares. Das Auto ist unser Schneckenhaus. Sie könnten Kontraste vorführen" - Im ungeschützten Gebiet standen Blüten, im geschützten nicht.

Wir wußten, daß tot wirkende Bäume erneut Blätter treiben können, und sammelten nur freiliegendes Holz. Wir sammelten Müll, verbrannten ihn in Erdlöchern oder vergruben ihn tief in der Erde, als ich an einem Rastplatz an der Straße eine Mülltonne sah, benutzte ich sie glückselig, kurz später sah ich, daß der Müll aus der Tonne ins Bachbett gekippt wurde. In Pensionen gibt es Wasserhähne, Duschen. Wir hatten das Wasser in Kanistern. Ich ließ es über den Körper in eine Schüssel laufen, wusch Wäsche und nutzte den Rest, das Auto von Staubschichten zu befreien

Wir konnten Verbotsschilder in verschiedenen Sprachen lesen, aber wir sahen Früchte von Bäumen, Sträuchern unsicher an, ob sie eßbar sind. Wir leckten an einer gurkenähnlichen Frucht, sie schien nicht giftig, "Aber vielleicht ist sie nicht reif. Unreifes Obst macht krank." Ein Schrei ertönte, ´Das war eine Katze´, ´Es kann auch ein Vogel gewesen sein.´

Eine Windbö riß eine Plastetüte in die Luft, ich haschte, sie stieg auf, ich sah ihr fasziniert nach. In Tunesien und Libyen waren die Plastetüten braun, sie huschten wie Tiere über die Straße, durch die Kieswüste. Plaste von Verpackungen zerfällt im UV-Licht der Sonne in Kohlendioxid und Wasser. Wenn Menschen an einem Rastlager, ihren Müll liegen lassen, erinnern sie an Mäuse, die ihr Terrain zu markieren versuchen. In Libyen waren die Müllberge Stadttore, sie streckten sich entlang der Straßen. Ich probierte es aus - es machte Spaß beim Kochen den Müll in hohem Bogen aus dem Fenster zu werfen. Ich las ihn wieder auf und fühlte mich ordentlich. An einem grauen Strand wirkten farbige Plastestücken wie Blumen in einem Ödland. Wenn Müll verbrennt, schimmern die Flammen in allen Farben, das Metall der Büchsen verfärbt sich, "Das ist schön", "Es stinkt!" Es stank. Aasgeruch. Wir fanden kein totes Tier. "Nimm die Schippe, wir werden wegen Langeweile in der Siesta eine Leiche ausbuddeln, einen Mord aufklären", - ein Baum verströmte Aasgeruch, Aasfliegen und Ameisen anlocken zu können, die seine Blüten bestäubten. Glasflaschen sind geschmolzener Sand, Glasscherben werden kleiner, bis sie wie Edelsteine plinken, Sand geworden sind. "Aber sie könnten als Brennglas wirken."

Abfalltüten konnten Tiere anlocken, wir konnten beobachten, wir sie vom Büchsengeklapper erschraken, sich erneut näherten... wie sammelten am Morgen den verstreuten Müll zusammen. Abfall erzählt Geschichten. Wenn ein einzelner roter Stiefel im Waldboden stakte, wenn ein einzelner Kinderschuh vom Meer angeschwemmt lag, Stöckelschuhe am Flußrand lagen... konnten Fantasien beginnen, die in Erzählungen endeten. "Es war einmal ein Schuh..."

Das Auto hatte keinen Verbandskasten. Die Werbung der Verleihfirma im Internet hatte solide gewirkt. Der Briefwechsel auch. Wir hatten nicht das billigste Angebot gesucht, wir wollten nicht enttäuscht werden. Wir wollten kein Auto, das aus zwei Unfallwagen zusammengeschweißt ist und beim Fahren auseinanderbrechen kann. Der Verleiher hatte behauptet, Geländeerfahrung zu haben. Aber die Hinterreifen waren tief zerfurcht, hell gescheuert, an der Seite ein Schlatz. Steinpisten, Dornen. Falls die alten Räder platzen würden, müßten wir nur dreiviertel des Neupreises ersetzen. Falls wir sie behalten würden. Für sieben Wochen. Sie wurden ersetzt. Durch ein Loch im Auto pfiff Staub. Wir verstopften es mit einer Socke. Ich mußte putzen. Der Besen war hart wie ein Stock. Die Ladebox war undicht. Wir hatten um einen Kühlerschutz gebeten. Er sei nicht nötig, das Gras würde nicht blühen. Wir brachten ein Stoffnetz vor dem Kühler an, das Gras blühte, Samen wurde ins Auto gesaugt... Die Verleiher hätten die bestmögliche Versicherung abgeschlossen, aber sie galt fast nirgends. Stunden vor dem Abgabetermin raste ein Auto an uns vorbei, es war bereits sechzig Meter entfernt, als ein Stein an die Scheibe schlug, "Den Schlag werden wir bezahlen müssen."

 

 


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