TEXTLANDSCHAFT

 

Vampire tun, als ob sie Menschen wären,
Menschen beißen zu können,
Menschen tun, als ob sie Vampire wären,
nicht gebissen zu werden,
Vampire tun, wie Vampire tun,
damit Menschen denken, sie seien Menschen,
die sich verstellen, nicht gebissen zu werden,
Menschen tun, wie Menschen tun,
damit Vampire denken, sie seien Vampire,
die sich verstellen, beißen zu können,
auf einem fast blutleeren Markt.

Ort: Großstadt
Zeit: Gegenwart
Personen: Männer, Frauen, Kinder

V-Zeichen oder der kleine Vampir
Eine Sittenzeichnung

LKW SCHORNSTEIN KATZE MIAU HUND SCHEISSE FLIEGE POLIZIST SCHORNSTEINFEGER LIEBESPAAR FLUSS KAHN ANGLER TAUCHER WASSERLEICHE FROSCH FISCHGRÄTE Das Zimmer in der Nachbarwohnung ist düster, die Vorhänge sind zugezogen, ein Mann schneidet sich mit einer Rasierklinge vor einem Spiegel ein Kreuz in die Halshaut. Eine Katze springt auf ihn zu, er rutscht mit der Klinge ab, Blut spritzt. Sie kann das sehen, weil er dort, wo ihr Schrank stand, ein Loch in die Wand gekratzt hatte, damit die Wärme ihres Ofens durch Ritzen zu ihm dringen kann. Sie hat sich nicht gewehrt. Sie erhielt stickige Luft. Sie sieht zu, wie er verblutet. Die Katze leckt das Blut auf.
Sie geht zum Spiegel, sieht ihren Hals an. Sie zerschlägt den Spiegel, nimmt Scherben in die Hand, in der einen ist ihr Hals zu sehen, das andere Glas ist Messer, sie legt es an den Hals, danach auf den Tisch. Sie isst Knoblauch und öffnet das Fenster. LUFT TAUBE KIRCHENGLOCKE PLASTIKBEUTEL LADEN SCHUH STIEFEL HALS MUND HAAR RÜCKEN BLINDER STOCK BÜRGERSTEIG KREISCHEN SCHERBE KLIRR HIMMEL WOLKE TROPFEN REGEN SCHIRM SONNE FARBE REGENBOGEN VERBLASSEN RINNSAL GRAU EISDIELE ERDBEEREIS VANILLEEIS SCHOKOEIS PARKBANK TÜMPEL MÜCKE SPIELPLATZ KLETTERGERÜST BALL PUPPE LUFTBALLON PENG KNALL Der Mann, der ihr gegenüber wohnt, war Schneider, er wurde Modedesigner, er beschäftigt Schneider. Er wird in eine andere Gegend ziehen. Die Männer, die seinen Laden verlassen, haben breite Schlipse, die Frauen tragen Tücher um den Hals oder hohe Kragen. Wenn sie eine Zeitung aufschlägt, sieht sie, dass das Mode geworden ist. Die Sonne scheint, es ist warm. VATER MUTTER KIND TIER VERLETZTE TOTE BLUME BLUMENLADEN BAUM BLATT RISPE BETTLER SCHALE PAPIERKORB MÜLLEIMER GUMMIHANDSCHUH KONDOM MÜTZE Sie hat kein Auto, sie fährt Straßenbahn. Ein Mädchen hat eine Ratte auf der Schulter, die Menschen stehen eng, die Ratte läuft ihr auf die Schulter. Das Mädchen nimmt die Ratte, küsst sie, setzt sie sich auf die Schulter. Die Ratte läuft. Ein Mann kreischt auf.
"Mich hat eine Ratte gekratzt."
"Es regt das Immunsystem an." WIND STAUB HAFTSCHALE SCHMERZ HAUSFLUR WARTEN LAUB DRECK STRASSENBAHN STRASSENBAHNSCHIENE ELEKTROKABEL STROMMAST TELEFONLEITUNG VOGEL FEDER FELLMANTEL RATTE MAUS Sie sitzt in einem Café. Ein Mann kommt herein, sagt: "Es stinkt." Die Wirtin sagt: "Das ist Knoblauchkaffee. Wollen Sie kosten?" HUSTEN SCHNAUFEN GERUCH GESTANK GELD KLIMPERN GELDSCHEIN RASCHELN RECHNUNG ADRESSBUCH TER­MINKALENDER BLEISTIFT ANTIBABYPILLE ZELLSTOFF TAMPON KONDOM SONNENBRILLE KUGELSCHREIBER KASTANIE MUSCHEL Sie zählt ihr Geld. Ihr fällt ein, dass sie einen Bonus auf Zahnarztrechnungen riskiert, wenn sie nicht zum Zahnarzt geht. Sie fragt einen Mann, wo ein Zahnarzt ist. Er sieht sie an, sagt: "Sie stinken extrem", geht weiter. AUTOBUS GELDWECHSEL FAHRSCHEIN SITZPLATZ KONTROLLEUR JUCKEN KRATZEN FLOH LAUS AUFSTEHEN HALTESTELLE KELLER KOHLEN HOLZ SCHIMMEL FLASCHEN TREPPEN SCHLOSS SCHLÜSSEL FUSSABTRETER"Trink nicht soviel!"
"Es entspannt."
"Es macht leichtsinnig."
"Es entspannt."
Ihr Bruder erhebt sich, torkelt ins Freie. Sie muss, wenn sie nicht gleichgültig erscheinen will, sich erheben, ihm nachlaufen, hinsehen, was um uns geschieht. BAUCHLADEN MARKTSCHREIER KAUFHALLE KAUFHAUS TIEFGARAGE EINKAUFSKORB EINKAUFSNETZ REGALE TÜTEN SCHACHTELN KASSE WACHSCHUTZ SPARKASSE BANK GELDTRANSPORT ÜBERFALL PISTOLE SCHUSS BLUT SIRENE Ihr Herz sticht; sie isst angegorenen Knoblauch, es entspannt. SESSEL KISSEN HEIZKISSEN LAMPE KERZE LAMPION TISCH VASE WECKER TICKTACK GLAS BILD SIEBDRUCK BUCH ZEITSCHRIFT VERSANDHAUS KATALOG BESTELLSCHEIN ASCHENBECHER ZIGARETTE STREICHHOLZ ASCHE HEIZUNG HAUSCHUH FERNSEHER FILM Es klingelt, ihr Bruder kommt, sie sagt: "Du kommst spät."
"Ich habe schon gegessen."
"Du hättest hier essen können."
"Ich liebe dich, wie du bist."
Er stellt sich vor den Spiegel, sein Spiegelbild taucht auf, verschwindet. "Ich bin ein Zauberer", sagt er, lacht.
"Wie machst du das?"
"Geheimnis."
"Kann ich das auch?"
"Du wirst es müssen."
"Wirst du mir helfen?"
"Nein."
"Wenn du draußen nichts zu essen findest -"
"Wenn jemand hungrig ist, solltest du die Tür nie aufmachen!"
Ihr ist zum Heulen. Er sagt: "Ich werde nicht wiederkommen." Sie sagt: "Ja, komm nie wieder!" THEATER OPER EINLASS KONTROLLE KRONLEUCHTER TEPPICH GARDEROBE ROBE ANZUG SPITZE SAMT DIAMANT GLITZERSTEIN PLATZANWEISER PLÜSCHSTUHL VORHANG HÜSTELN BÜHNE SCHAUSPIELER SÄNGER FERNROHR NIESEN SCHARREN PAUSE LACKSCHUH STöCKELSCHUH STöCKELN GLAS SEKT ANSTOSSEN NICKEN LÄUTEN FLÜSTERN BUH KLATSCHEN VERBEUGEN DIRIGENT ORCHESTERGRABEN NACHBARHAUS KONZERT HUSTENBONBON TASCHENTUCH GESANG KLAVIER MOBILTELEFON TROMPETE KAMMERMUSIK Es klingelt, vor der Tür steht ein Herr, "Was wollen Sie?"
"Darf ich eintreten?"
"Nein."
"Ich biete Ihnen -"
"Was?"
"Sie könnten trinken, ohne Haut berühren zu müssen."
"Fremde Haut. Mit Kreuznarben."
"Ja."
"Mit einem Strohhalm."
"Die Apparatur, die ich Ihnen anbiete, ist komplizierter."
"Teurer."
"Ja."
´Wenn ich es nicht kaufe, saugt er mich aus.´ "Ich habe das schon", sagt sie.
"Haben Sie das?"
"Ja", sie lächelt und bleckt Zähne. ZAHNPASTA MUNDSPÜLUNG MUNDSPRAY ZAHNFLEISCH ZUNGE RACHEN AUGEN BLICK SICHT OHR GEHöR HAUT GEFÜHL KäLTE WÄRME TIEFDRUCK HOCHDRUCK HITZE HAND FINGER Im Briefkasten steckt ein Zettel, dass sie Blut, so lange es im Körper erneuert wird, auf eine Bank einzahlen kann. Sie räumt das Tiefkühlfach aus, nimmt einen Senfbecher, entleert ihn, stellt ihn auf den Tisch, geht zur Apotheke, kauft eine Spritze, zieht sich Blut aus der Armbeuge ab, stellt es in den Tiefkühlschrank.
Sie tut es jeden dritten Tag. APOTHEKE DROGERIE NATURKOSTLADEN VITAMINE VITAMINBOMBE HAUTCREME MASSAGE FITNESSSTUDIO DROGE SEKTE HEILSARMEE TEUFELSANBETER ENGELSKOSTÜM GESUNDHEITSSCHUH Draußen regnet es, die Menschen tragen dunkle Brillen. PLAKAT LITFASÄULE NEONSCHRIFT WERBEZETTEL DATENBANK POSTBOTE BRIEKASTEN BRIEFMARKE BRIEFUMSCHLAG POSTKARTE TINTENFLECK KUGELSCHREIBER FAXGERÄT COMPUTER E-MAIL FARBSPRAY SPRAYER GRAFFITI TATTOO HAARFARBE FRISEUR LIPPENSTIFT WIMPERNTUSCHE LIDSCHATTEN PARFÜM SCHNEESPUR GLATTEIS Es klingelt, ihr Bruder ruft an, sagt, dass er einen gut bezahlten Job gefunden hat. "Einen besser bezahlten?" - "Ja." - "Noch besser?" - "Ja." JOBBöRSE KURZARBEIT SCHWARZARBEIT ARBEITSLOSIGKEIT ARBEITSAMT GEWERKSCHAFT STREIK STREIKBRECHER DEMONSTRATION GEGENDEMONSTRATION ABZEICHEN FAHNE SPRECHCHöRE SCHLAGSTOCK WASSERWERFER KNEIPE KELLNER BIER SCHNAPS SCHATTEN ALKOHOLKONTROLLE In der Zeitung steht, dass Frauen, so lange sie fruchtbar sind, die Fürsorge der Gesellschaft verdienen. Frauen mit Kindern erhalten Kindergeld, bevorzugt Wohnungen. Von Telefonsex wird man weder schwanger, noch ausgesaugt. Sie greift zum Telefonhörer. EROTIK SPUCKE SAMEN NEBENWIRKUNG RISIKO GESUNDHEITSAMT TEST SCHWANGERSCHAFT FEHLGEBURT BERATUNGSSTELLE ABTREIBUNG KRANKENHAUS HEBAMME HECHELN SCHREI GEBURT SCHWANGERSCHAFTSPSYCHOSE PSYCHIATRIE EHE KNEIPE BAR KLOSTER ABSOLUTION SYNAGOGE MOSCHEE PROSTITUTION NUTTE PERÜCKE BORDELL HURE ZUHÄLTER MERCEDES CALLGIRL CALLBOY LUTSCHEN FESSELN KNEBELN SCHLAGEN PEITSCHEN BEPISSEN DENUNZIATION MENSCHENHANDEL PORNOGRAFIE INTERNET VIDEORECORDER VIDEOTHEK KINDERPORNOGRAFIE BANDENKRIMINALITÄT MAFIA ANZEIGE ERMITTLER RAZZIA SCHUSSWECHSEL FESTNAHME VERHöR HANDSCHELLE Es klingelt, ihr Bruder ruft an, sagt, ob er sie mit seinem Sohn besuchen könne, er wolle ihm zeigen, dass andere Menschen arm leben müssen. Sie legt den Hörer auf. RADIO WERBUNG BÜRGERRADIO NACHRICHTEN FUNKGERÄT MIGRÄNE GARDINE JALOUSIE MESSER RASIERKLINGE SCHLAGADER FONTÄNE HERD GASGERUCH GASZÄHLER LICHTSCHALTER EXPLOSION DETONATION STILLE FEUERWEHR KLOGERÄUSCH FENSTERKLAPPERN TREPPENKNARREN TELEFONSEELSORGE Eine alte Frau bittet sie, ihr eine Stiege äpfel in die Wohnung zu tragen, sie sagt: "Sie könnten die Äpfel einzeln tragen."
Ein blinder Mann bittet sie, in seine Wohnung zu kommen, ihm eine Telefonnummer aus dem Telefonbuch zu suchen, die Nummer für ihn zu wählen. Sie lehnt ab.
Sie denkt an ihre Großmutter, ihren Großvater, ´Sie könnten Hilfe brauchen. Keiner hilft.´ KIRCHE TAXE NOTRUF SOZIALFÜRSORGE ENTMÜNDIGUNG ALTERSHEIM KRANKENSCHWESTER ARZT TOTENSCHEIN ERBE BEERDIGUNGSINSTITUT URNE PFARRER GRABREDE RECHNUNG FRIEDHOF GRAB GRABSTEIN KRANZ KUNSTBLUME FRIEDHOFSGÄRTNER LOCH ERDE DACH HIMMEL STERNE WOLKE STERNZÄHLER HOROSKOP STERNSCHNUPPE STROMSCHWANKUNG KURZSCHLUSS AUSSERIRDISCHER GEBET Ihr Körper ist nervös, sie greift nach Zeitungen, mit der anderen Hand sich zwischen die Beine.
Auf der Treppe sitzt ein Mann und wartet. Als sie kommt, läuft er weg. Sie läuft ihm nach, er scheint der Mensch, den sie lieben darf. Sie hält ihn fest, zieht. Er lässt sich ziehen. ANNONCE Sie liegen im Bett, als er in ihren Hals beißt. "Das ist die Leidenschaft", sagt er, lächelt, zieht sich an und geht. HOSE HEMD SOCKE SCHLIPS SCHNÜRSENKEL JACKE SCHAL HUT HANDSCHUH KREDITKARTE Sie weicht Spiegeln aus. FENSTERSCHEIBE PFÜTZE AUTOLACK NAGELLACK PUPILLE BIERGLAS ROTWEINGLAS HERZSCHMERZ MAGENÜBELKEIT BRECHREIZ BLUTDRUCK KREISLAUFVERSAGEN HINSETZEN Sie findet einen Zahnarzt, er sagt: "Sie waren lange nicht beim Zahnarzt."
"Ja."
"Schmerzen?"
"Nein."
"Ihre Zähne sind o.k."
"Nein. Die Eckzähne."
"Das ist normal."
"Nein."
Sie sagt nichts mehr, er hat einen weißen Schal um den Hals, sie will einen anderen Zahnarzt. GLITZERN Sonnenlicht brennt auf der Haut, die Haut wird blasig, es juckt, tut weh. Sie kauft Sonnenschutzgel, schmiert es sich auf die Haut. HUPEN Es ist laut auf der Straße. Die Friedhofsmauer ist hoch, hinter der Wand ist es ruhig. Sie geht zwischen die Gräber, läuft hinaus. BANANENSCHALE AUSRUTSCHEN HINSEHEN WEGSEHEN WEITERGEHEN HOCHZIEHEN AUFSTEHEN Sie nimmt zu Hause ein Stück durchsichtige Plaste, schleift es, bis es sich auf der einen Seite an die Augenlinse anlehnt, auf der anderen Seite ist es verbeult. ´Kreuze sehen nicht mehr wie Schwerter aus, die sich mir ins Herz bohren könnten.´ Es beruhigt. ´Ich brauche Arbeit´, das Warten macht sie hysterisch. Die Ärztin verschreibt ihr Beruhigungsmittel. TABLETTE ATEMKURS ERDUNGSÜBUNG JOGGEN FUSSBALLPLATZ STADION WETTBÜRO MUNDHARMONIKA HUT MÜNZE ZEITUNG FAHRRADKURIER MOTORRADFAHRER ÜBERHOLSPUR MITTELSTREIFEN AMPEL HAUSWAND BLAULICHT KRANKENWAGEN SANITÄTER ABRIEGELUNG PULS ATEMKONTROLLE BEATMUNG HERZMASSAGE PLANE BAHRE Die Ärztin sagt: "Ich bin erkältet", sie zeigt auf den Schal um ihren Hals. SCHWADEN NEBEL FEUCHTIGKEIT NÄSSE GLÄTTE HAUSEINGANG HOF HINTERHAUS DACHBODEN ATELIER FARBE PINSEL LEINWAND PLASTIKBECHER BÜCHSE MATRATZE KÜNSTLER LIEBHABER TRANSVESTIT SCHLAGSTOCK Die Frau sitzt im Zimmer der Arbeitsvermittlerin, ihre Finger sind verkrampft, sie kämpft gegen Tränen. Die Arbeitsvermittlerin sagt: "Die Gesellschaft hat sich verändert. Es gibt Hightechzentren. Es gibt Zulieferer zu den Hig­techzentren. Konkurrenzkampf, der keine Zeit lässt, Kaffee zu kochen, Schuhe zu putzen. Sie wollen am Kampf nicht teilnehmen, aber andern keinen Kaffee kochen, Schuhe putzen. Es ist eine arbeitsteilige Gesellschaft, die Arbeiten werden verschieden bezahlt. Ich bediene Sie und die Gesellschaft. Ich frage Sie: Wollen Sie mit mir tauschen? Meine Arbeit ist nicht fair bezahlt, Sie werden nicht gebraucht. Ich werde als Plakat benutzt, es steht das Wort ´Arbeit´ drauf, es ist Angst unter denen, die sich Macht nahmen, dass das ganze Wertesystem zusammenbricht, wenn das Wort Arbeit in Frage gesetzt wird. Man wird Ihnen Sozialhilfe geben, mit der Sie Ihre Fortexistenz sichern können, damit man Sie kriminalisieren kann, falls Sie reagieren, stehlen, töten, ´Neid ist ein niederer Beweggrund´. Der Bundesgrenzschutz trainiert, wie man ausgrenzen kann. Es gibt Vereine, Stiftungen, für die Sie ehrenamtlich arbeiten können, falls Sie sich beim Bedienen der menschlichen Körper der Hightechleute geistig unterfordert fühlen sollten. Falls Sie Hacker werden, in Prozesse einzugreifen versuchen, werden Sie eines Tages ´Selbstmord´ gemacht haben. Ich habe meinen Bruder verloren. Ich habe studiert wie Sie. Ich habe meine Doktorarbeit verschwiegen, als ich mich hier bewarb, damit man mich als Plakatständer, der nicht selbständig sprechen soll, nehmen will. Es ist eine Wanze im Raum." Sie zeigt auf ein Tischbein. "Es stehen Tische zwischen mir und meinem Chef, wenn er mit mir redet. Es steht ein Tisch zwischen mir und Ihnen. Das ist Abstand. Sie kommen mir nicht zu nah. Ich arbeite ungefährdet." Die Fremde öffnet das Fenster, "Ich wurde eine kleine weiße Taube, das ist der Frieden, - und flieg", springt. Die Frau stürzt zum Fenster, starrt nach unten, es klopft, sie schreckt zusammen, hebt das Tischbein an, fingert, findet nichts, nimmt ihre Sachen, öffnet die Tür, sagt: "Der Arbeitsvermittler ist noch nicht gekommen", geht. Vor dem Haus kniet ein Mann über der Gestürzten, er drückt ihr aufs Herz, er hat seinen Mund auf ihren Lippen.
Auf großflächigen Plakaten wird um Blutspenden gebeten. Sie zeigen Filme, in denen Menschen von Bomben zerfetzt werden, das Blut läuft aus ihrem Körper, "Retten Sie Leben! Spenden Sie Blut!"
Es klingelt, ein Mann sagt, er sei der Versicherungsvertreter. Sie knallt die Tür zu. VERSICHERUNGSAGENTUR IMMOBILIENHÄNDLER MAKLER WOHNUNGSGESELLSCHAFT VERWALTER HAUSMEISTER REINIGUNGSFIRMA KEHRMASCHINE LÄRM BESEN SCHEUERMITTEL SEIFENBLASE SCHLIERER FENSTERPUTZER SPEDITION UMZUG Sie geht zum Psychiater. Er sagt, sie wäre hysterisch, weil sie die Wirklichkeit nicht hinnehmen will, falls sie einverstanden ist, würde er ihr ein Bett in der Psychiatrie geben, Ursachen aufspüren, behandeln. Sie sagt, dass sie wiederkommen wird, geht. Sie schleicht im Morgengrauen, als Ärztin verkleidet, in die Psychiatrie. Studenten haben Nachtdienst. Sie schließen ihr Zimmer auf. Sie sieht ausgesaugte Menschen, stumpf. "Was haben Sie Ihnen gegeben?" Der Student sagt: "Sie schreien vor Hunger, aber sie essen nicht. Sie schlagen sich gegenseitig. Man muss sie ruhig stellen." Sie notiert auf einen Zettel: "Sie beseitigen Konkurrenz", sie legt den Zettel für den Arzt hin. MIKROFON FOTO APPARAT KAMERA DETEKTIV SPITZEL VOLKHOCHSCHULE KAMPFSPORT SELBSTVERTEIDIGUNG REIZGAS STUDENT PROFESSOR UNIVERSITÄT SCHÜLER LEHRER SCHULE ABITUR KARRIERE KARRIEREKNICK Sie geht an Schaufenstern vorüber und sieht sich nicht. Sie ruft ihren Bruder an, sagt, dass sie ein Spiegelbild braucht, er lacht und legt auf. TELEFONHÄUSCHEN URIN TELEFONHöRER TELEFONBUCH TELEONSEITE NAME NUMMER WÄHLSCHEIBE BESETZTZEICHEN FREIZEICHEN STILLE AUTOBRUMMEN BREMSEN QUIETSCHEN Es klingelt, sie hebt den Telefonhörer nicht ab. "Wo bist du Kind?" Sie hört die Frage auf dem Anrufbeantworter mehrmals an. Sie sagt ihrer Mutter jede Woche im Morgengrauen auf den Anrufbeantworter, daß es ihr gut geht. Die Mutter hört nicht die Worte, sie hört die Stimme. "Wo bist du Kind?" Die Mutter will sie besuchen, ihr Bein ist in Gips. Ihre Tochter fährt hin. MILCH KöRNER MEHL BROT WURST FLEISCH EIWEISS EIGELB BRATEI KÄSE APFEL BIRNE MELONE TOMATE GURKE BLUMENKOHL ROTKOHL WEISSKOHL SAUERKRAUT Die Mutter liegt im Bett, fragt: "Hast du Hunger?"
"Nein."
"Ich bin alt. Mein Leben ist zuende. Falls du mich brauchst."
"Nein."
"Lege dich zu mir."
"Nein."
"Bitte!"
Sie tut es, kuschelt sich in den Arm der Mutter, die Mutter streichelt. Sie wird ein Kind, das still liegt, sich nicht rühren will, und wieder einpinkelt. Sie beißt vor Wut, saugt, kotzt, sieht auf ihre Mutter, die blass liegt, das Rot vor ihren Füßen, fragt "Wozu?" Sie leckt das Zeug auf. MAUER TOR ROST öFFNUNG HALLE FABRIK WERKBANK SCHRAUBENSCHLÜSSEL DURCHGANG SCHREIBTISCH AKTE ORDNER GLÜHBIRNE KAFFEEKANNE WÜRFELZUCKER DREHSTUHL SCHIESSSCHEIBE RUINE Ihre Mutter sagt: "Ich will an Hälsen saugen wie an einem Nuckel, der ruhig stimmen kann", kreischt, schlägt sie, sagt: "Du hättest nicht kommen dürfen."
Sie kann nicht weinen. AUSWEISKONTROLLE Sie sieht ihre Mutter, ihre Mutter scheint jung: Der Rock ist kurz, sie ist geschminkt, sie sieht Männer an, hält sie am Ärmel fest, legt ihren Kopf an deren Hals.
"Mama", sagt sie leise. VERKEHRSSCHILD PARKVERBOT STRAFZETTEL LATERNE SCHATTEN KNISTERN SCHEPPERN STILLE HOCHHAUS NAMENSSCHILD DRUCKKNOPF SUMMEN SCHALTER LICHT FAHRSTUHL ETAGE GANG DUNKEL FENSTER MOND KLINGEL TÜR GUCKLOCH KLÄFFEN SCHRITT STILLE KLOPFEN STILLE. Sie geht zum Fleischer, kauft Blutwurst, beißt rein, wirft sie in ein Gebüsch. Ein Mann kriecht hinein, hebt das auf. REGENWURM AMEISE PFLASTERSTEIN GRASHALM BUSCH SCHMETTERLING EINFANGEN STREICHELN KÜSSEN GEFAHR GEFÄHRDUNG ZERSTöREN ASPHALT ASPHALTRISS LÄCHELN KICHERN LACHEN Sie hat ein Gerät, das das Bild, das im Spiegel wäre, wenn sie nicht ausgesaugt wäre, auf Spiegelndes projiziert, kaufen können. In der Kneipe erzählte einer, daß ein alter Mann Sender baut, die diese Programme zerstören können, sein Sohn machte die Geräte unempfindlicher, sein Vater baute stärkere Störsender, sein Sohn entwickelte Geräte, die Störstrahlung reflektieren, so gehe das hin. Er sagt, dass man einen Elektromagnetischen-Impuls-Schlag organisieren müsse, Menschen müssten mit Spiegeln und Holzpflöcken bewaffnet stehen. "Wem willst du Holzpflöcke geben, wenn du nicht weißt, wer ohne Spiegelbild sein wird?" Sie beugt sich zu seinem Hals, lacht. Sie sitzt bis zum Morgengrauen. Jemand nimmt ihr die Brille von der Nase, zertritt sie, sie lacht. Ein anderer kratzt ihr mit Fingernägeln an der Haut, sie lacht. Der Wirt schickt sie nach draußen. Sie wankt nach Hause und findet die Tür verschlossen, kein Schlüssel passt. Die Kellertür ist verriegelt. Sie klingelt, klopft. Niemand öffnet. Die Sonne steigt. Sie hebt einen Gossendeckel. GOSSENDECKEL TRÄNEN SCHLUCHZEN JAMMERN KLAGEN WETTERN FLUCHEN KANAL PLÄTSCHERN FÄULNIS DROHUNG BEDROHUNG KRANKHEIT SEUCHE UNTERWELT KLÄRANLAGE WASSERWERK WASSERHAHN BADEWANNE DUSCHE SAUNA WASSERZÄHLER Sie geht, streicht über Hauswände, hört ein Wimmern, kratzt an der Wand. "Wie geht es dir?" Ihre Mutter fragt, "Was ist hinter der Wand?" - "Ich weiß es nicht." Die Mutter bricht die Wand auf, die Tochter hilft ihr. Hinter der Wand ist ein Kind, unter ihm ein Loch, über ihm ein Loch, "Das züchtet jemand." - "Lass´ es leben", sagt sie.
"Du willst es mir wegnehmen!" Ein Holzpflock rutscht aus dem Ärmel der Mutter, sie hält ihn auf die Brust ihrer Tochter. "Ich habe auch einen Holzpflock", sagt die Tochter, "Wir könnten es teilen", "Nein." EINWOHNERMELDEAMT RATHAUS BÜRGERMEISTER OBERBÜRGERMEISTER STADTPARLAMENT BEAMTER AUSLÄNDERBEHöRDE GLEICHSTELLUNGSSTELLE FRAUENZENTRUM BEGEGNUNGSZENTRUM KULTURZENTRUM VEREINIGUNG VEREIN STEUERN FINANZAMT REGIERUNGSDELEGATION ABSPERRUNG RENNEN SCHWEISS SEITENSTECHEN UNTERGRUNDBAHN ROLLTREPPE MENSCHENMENGE GEDRÄNGE HERZKLOPFEN HERZSTECHEN UHRZEIGER ZITTERN Menschen, die Vampire mit Holzpflöcken töten, werden verurteilt, kommen in den Knast. Dort sind sie Vampiren ausgeliefert. Vampire, die Menschen oder Vampire töten, in den Knast kommen, fliehen bei Vollmond als Fledermaus durch die Gitter. Einige Wärter benehmen sich wie Vampire, damit niemand weiß, dass sie Menschen sind. NATURSCHUTZ STACHELDRAHT ZEMENT MANN POSTEN GEWEHR GEBÄUDE GITTER NEUGIER ERINNERUNG FANTASIE SCHAUDERN ANGST REISEPASS FAHRERLAUBNIS BAHNHOF AUTOBAHN FLUGHAFEN SCHIFF AUSKUNFT REISEBÜRO BOTSCHAFT VISA RUCKSACK SCHLAFSACK KOFFER ZUFRIEDENHEIT ZÄRTLICHKEIT Eine Frau streichelt ihren Hund: "Du bist kein Vampir, nicht wahr?" LEICHENSCHAUHAUS LEICHENSCHMAUS GALERIE MUSEUM MUSEUMSWÄCHTER EXPONATE PRÄPARATE RöNTGENBILDER PASSBILDAUTOMATEN ZAHN ZAHNARZT BOHRER SCHMERZ FÜLLUNG PLOMBE SCHWELLUNG MASKE JAGD VERFOLGUNG STRAUCHELN STOLPERN STURZ TRITT SCHREI WIMMERN STILLE LANGEWEILE Ich ertrug die Angst nicht mehr. Ich konnte nachts nicht schlafen, war am Tag müde. Ich hielt die Einsamkeit und die Angst vor ihnen kaum aus. Einer schützte sich vor ihnen, indem er Knoblauch frisst, in seiner Nähe stinkt es, ich ertrug ihn nicht. Ein anderer schnitt sich Kreuze in die Haut, "Ein Vampir wird sie fühlen, wenn er sich mir mit geschlossenen Augen nähert, um die Linien nicht sehen zu müssen, die einem Fadenkreuz Ähneln, das auf ihn gerichtet scheint, das Erinnerungen in ihm weckt, die ihn zerstören können." Er hat Angst, ein Vampir könnte sich mit Handwerkszeug nähern, um die Kreuze nicht sehen, nicht berühren zu müssen, ihn aussaugen zu können; er lässt nichts an sich ran kommen. Ich schrie gelegentlich ein paar Sätze zu ihm hinüber. Wir können nicht sicher sein, dass Menschen, denen wir am Tag begegnen, keine Vampire sind. Sie schmieren sich Gel auf die Haut, tragen Sonnenbrillen, oder Glasscheiben, in den Augen, sich vor Sonnenstrahlen zu schützen. Die reicheren von ihnen lassen sich die Raffzähne ziehen, durch Kunstzähne ersetzen, die normalen Zähnen &aAuml;hneln, Nadeln ausfahren können. Die Spiegel verraten nichts mehr; die Vampire tragen Computer und Sender bei sich, die die Bilder, die entständen, falls sie noch Menschen wären, auf Spiegelglas projizieren. Ich ertrage die Einsamkeit und Angst vor ihnen nicht mehr, hebe den Kopf, lasse die Schultern sinken, strecke den Rücken, gehe auf einen Mann zu, der zurück zu weichen scheint, als habe er Angst, ich sei ein Vampir, ‘Er ist ein Mensch!’ ich halte den Hals hin. Er legt seine Lippen an meine Haut, sein Bart stachelt, ich kichere, er küsst, beißt. Ich gehe jeden Tag, bevor es Morgen wird, in meine Wohnung, in die kaum ein Sonnenstrahl fällt, lege mich ins Bett, ziehe die Bettdecke über den Kopf, schiebe Schlaftabletten zwischen die Lippen, um wie tot zu werden, nachts munter werden zu können, aufzustehen, nach Blut zu suchen, nicht krepieren zu müssen, weiterleben zu können. Ich finde nur blasse Hälse, über denen Zähne aus Mündern ragen, die nach Blutadern suchen und vor Hunger in die blutleeren Hälse von Vampiren hacken; ich sehe, dass Vampire anderen die Brillen wegnehmen, zertreten und mit Fingernägeln beim Händedruck an deren Haut kratzen, sehe, dass sie Türen und Häuser verschließen, verbarrikadieren, andere auszusperren, damit Sonnenstrahlen sie treffen, vernichten, "Weni ger Konkurrenz auf dem fast blutleeren Markt."VISITENKARTE "Du musst dir einen Menschen zum Tier erklären, dann darfst du ihn schlachten."


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